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18. März 2023

Deutscher Hausärzteverband und DEGAM: Sicherung der Primärversorgung

Weiterbildungsbefugnis kompetenzbasiert vergeben

Zur Sicherung der Primärversorgung im Gesundheitssystem setzen sich die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) sowie der Deutsche Hausärzteverband dafür ein, die Weiterbildungsbefugnis im Fach Allgemeinmedizin stärker nach Kompetenzen zu vergeben. Hausärztlich tätige Internistinnen und Internisten sollen z.B. bei Nachweis breiter allgemeinärztlicher Kompetenzen die volle Weiterbildungsbefugnis erhalten können. Für Kliniker soll der Quereinstieg in die Allgemeinmedizin leichter werden.

DEGAM und Hausärzteverband wollen die Regelungen für die Weiterbildungsbefugnisse durch eine kompetenzbasierte Vergabe angleichen. „So soll eine Ungleichbehandlung der hausärztlich tätigen Internistinnen und Internisten bei der Dauer der Weiterbildungsbefugnis verhindert werden. Die bisher teils deutlich verkürzte Weiterbildungsbefugnis allein aufgrund der Facharztbezeichnung für die internistische Fachgruppe ist aus Sicht der DEGAM und des Deutschen Hausärzteverbandes nicht mehr zielführend“, stellen beide Verbände in einer Pressemitteilung fest.

„Es gibt keine Hausärztinnen und Hausärzte erster oder zweiter Klasse. Das muss sich auch in der Weiterbildungsbefugnis widerspiegeln. Deswegen treten wir gemeinsam dafür ein, die Weiterbildungsbefugnis zukünftig von den Kompetenzen des Weiterbildenden abhängig zu machen“, erklärt Dr. med. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes. DEGAM-Präsident Prof. Dr. med. Martin Scherer kündigte „Vorschläge in Form eines Kriterienkatalogs“ an. Konkret sollen Fortbildungen und Train-the-Trainer-Seminare im Angebot sein.

Doppelte Allokationsfehlverteilung

Prof. Dr. med. Marco Roos, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Augsburg, Leiter des Kompetenzzentrums Weiterbildung Allgemeinmedizin Bayern (KWAB) und Sprecher der DEGAM-Sektion Weiterbildung, verwies im Gespräch mit „Der Allgemeinarzt“ auf das Problem der „doppelten Allokationsfehlverteilung, sowohl lokal als auch fachspezifisch“. Um eine durchgehende hausärztliche Versorgungsschiene zu bauen, sollen die Türen in eine gemeinsame Primärversorgung geöffnet werden. Heute gibt es Primärversorgungsregionen mit allgemeinärztlicher und solche mit internistischer Dominanz.

„Für die DEGAM sind die Fachärztin und der Facharzt für Allgemeinmedizin inhaltlich nach wie vor die Zukunft, weil alle allgemeinmedizinischen Kompetenzen in diesem Fachgebiet gebündelt sind. Aber auch hausärztlich tätige Internisten sind in diesem Feld nach SGB V zugelassen. Die DEGAM möchte sie in ihrem Bestreben unterstützen, ihr allgemeinärztliches Kompetenzspektrum in diesem Sinn zu komplettieren“, erläutert Prof. Roos den neuen Ansatz. Bisher hat sich die DEGAM zur Wahrung der Fachidentität sehr stark darauf berufen, dass nur Fachärzte für Allgemeinmedizin die volle Weiterbildungsbefugnis von 24 Monaten erhalten können. „Viele hausärztliche Internisten fühlten sich deshalb nicht richtig gesehen – zum Teil sicher zu Recht. Da ist eine gewisse Unzufriedenheit entstanden“, so Prof. Roos. Einerseits erfüllen sie hausärztliche Aufgaben, andererseits fehlte aber die Wahrnehmung der Bestätigung durch den Facharzttitel für Allgemeinmedizin. Diese Frage wird derzeit nicht nur in der DEGAM, sondern auch in verschiedenen Hausärzteverbänden der Länder diskutiert.

Neue Musterweiterbildungsordnung setzt auf Kompetenz statt auf Masse

Die neue Musterweiterbildungsordnung enthält eine Änderung der Kriterien zur Erteilung von Befugnissen in der Weiterbildung, und zwar eine Verschiebung von der Quantität zur Kompetenz. „Ein Weiterbildungsort soll weniger durch fachärztliche Zuordnung gekennzeichnet sein als durch Kompetenzen in der Weiterbildung“, verdeutlicht Prof. Roos den neuen Ansatz. Die Breite der Kompetenzen entscheidet ab jetzt über die volle Ermächtigung zur Weiterbildung. Umgekehrt kann auch ein Facharzt für Allgemeinmedizin nicht mehr die volle Befugnis zur Weiterbildung erhalten, wenn kein umfassendes Kompetenzspektrum vorhanden ist, so Prof. Roos. „Nicht der Facharzt zählt in Zukunft, sondern die individuelle Kompetenz. Die DEGAM empfiehlt, die Zeit der Weiterbildungsbefugnis an die in der Weiterbildungsstätte zu vermittelnden Kompetenzen zu knüpfen.“

Zu den Inhalten strukturierter Angebote in der Fortbildung

Hausärztliche Internisten können Weiterbildungslücken in der kleinen Chirurgie, der Durchführung von Hausbesuchen, der psychosomatischen Grundversorgung sowie der orthopädischen und dermatologischen Beratung in der Primärversorgung haben. Diese Lücken in der Weiterbildung sind durch die fokussierte Weiterbildung in der Klinik und das urbane Betätigungsfeld entstanden. „Solche hausärztlich tätigen Internisten hatten daher niemals die Gelegenheit, diese allgemeinärztlichen Lücken zu füllen“, stellt Prof. Roos fest. Diese Fortbildungen sollen dann sowohl im Hinblick auf die EBM-Anrechenbarkeit bei der Kassenärztlichen Vereinigung als auch die Zumessung der Weiterbildungsbefugnis bei der Ärztekammer förderlich sein. Diese Veränderung ist ohne eine Veränderung der Musterweiterbildungsordnung möglich. DEGAM-Präsident Prof. Scherer weist auf jüngere internistische Kolleginnen und Kollegen hin, die aus der Klinik kommen. Für diese Gruppe sei es sinnvoll, einen „vereinfachten Zugang zum Facharzttitel Allgemeinmedizin als Quereinstieg zu ermöglichen“. Die Verbände werden daher „sachgerechte Vorschläge für eine Modifizierung des Quereinstiegs, speziell aus der Inneren Medizin, erarbeiten“.

Verkürzter Weg in den Quereinstieg

KWAB-Leiter Prof. Roos weist auf bereits bestehende Wege in einzelnen Landesärztekammern hin, den Facharzttitel für Allgemeinmedizin durch eine verkürzte Weiterbildung zu erlangen. „In Bayern kann eine Fachärztin für Anästhesie zum Beispiel nach Einzelfallprüfung Fachärztin für Allgemeinmedizin werden, wenn sie Weiterbildungszeit in einer Praxis für Allgemeinmedizin und Teile in Innerer Medizin und einer chirurgischen Ambulanz absolviert.“

Allerdings existieren Hemmschwellen. „Wenn Fachärzte für Innere Medizin in einer Klinik arbeiten und sich nun für eine Niederlassung interessieren, dann trauen sie sich oft nicht, weil sie keine Erfahrung im ambulanten Bereich haben. Daher fordert die DEGAM in diesen Fällen, dass die Landesärztekammern eine verkürzte Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin anbieten“, erläutert Prof. Roos. Dann soll sich ein verkürzter Weg in den Quereinstieg öffnen.

Autor
Franz-Günter Runkel


Zitierhinweis: erschienen in dieser Ausgabe
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