20. September 2022

43. Deutscher Hausärztetag

Emotionaler Abschied von Weigeldt, klares Votum für Beier

Es ist eine tiefe Zäsur für den Deutschen Hausärzteverband: Nach 30 Jahren Berufspolitik im Verband – davon 16 Jahre als Bundesvorsitzender – verabschiedete sich Ulrich Weigeldt von den 120 Delegierten des 43. Deutschen Hausärztetags in Berlin. Die Delegierten dankten es ihm mit Standing Ovations und wählten anschließend den bayerischen Landesvorsitzenden Dr.med. Markus Beier mit 97 Prozent Zustimmung zu Weigeldts Nachfolger.

Mit Weigeldt trat auch Dr. med. Berthold Dietsche als zweiter stellvertretender Bundesvorsitzender ab. Zukünftig wird ein Team um den 51-jährigen Dr. med. Markus Beier den Verband führen. Er erhielt 115 von 119 abgegebenen Stimmen. Seinen Posten als erster stellvertretender Bundesvorsitzender wird künftig Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth (53) innehaben. Auf sie entfielen 90 von 118 abgegebenen Stimmen. Zweiter stellvertretender Bundesvorsitzender wird Dr. med. Ulf Zitterbart (51), bislang Beisitzer. Er erhielt 112 von 117 Stimmen. Neue Beisitzerin ist Dr.med. Barbara Römer (53), die mit 102 von 113 Stimmen gewählt wurde.

„Nach rund 20 Jahren im Bundesvorstand“, sagte Weigeldt, „ist es an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen – für den Deutschen Hausärzteverband und für mich persönlich. Meine vorzeitige Amtsübergabe hatte ich bereits vor mehreren Jahren angedacht, wollte in diesen herausfordernden Zeiten, die unseren Mitgliedern wie auch unserem Verband alles abverlangt haben, aber auf den richtigen Zeitpunkt warten. Nun ist es so weit, den Staffelstab weiterzugeben und den geplanten Generationenwechsel zu ermöglichen. Ich bin froh, dass ich einen hervorragend aufgestellten Verband übergeben kann.“

HzV-Einführung: „Riesenerfolg“

Der scheidende DHÄV-Chef bezeichnete in einem Rückblick auf seine Amtszeit die Einführung der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) als „Riesenerfolg“. Rund acht Millionen Versicherte profitierten heute von dieser Form eines Primärarztsystems. Im Weiteren würdigte Weigeldt die Etablierung des Instituts für Hausärztliche Fortbildung (IHF) und die Schaffung des neuen Berufsbildes „Versorgungsassistent/in in der Hausarztpraxis“ (VERAH) für Medizinische Fachangestellte. Im Anschluss an die Wahlen wurde Ulrich Weigeldt von der Delegiertenversammlung zum Ehrenvorsitzenden des Deutschen Hausärzteverbandes ernannt. Der neue Bundesvorstand muss sich bereits 2023 den regulären Wahlen im Verband stellen, da Weigeldt ein Jahr vor Ende seiner Amtsperiode zurückgetreten war.

Beier dankte Weigeldt für große Verdienste

Der Bundesvorstand dankte Ulrich Weigeldt für seine großen Verdienste um die hausärztliche Versorgung in Deutschland. „Wir wollen uns ausdrücklich bei Ulrich Weigeldt bedanken, der engagiert, pragmatisch und mit einem klaren politischen Kompass den Verband bald zwei Jahrzehnte geführt hat. Die Hausärztinnen und Hausärzte in ganz Deutschland haben ihm sowie Berthold Dietsche viel zu verdanken, nicht zuletzt als Wegbereiter der Hausarztzentrierten Versorgung“, so Dr. med. Markus Beier.

Der neue Bundesvorsitzende mühte sich darum, Bedenken angesichts seiner Wahl als Vorsitzender des starken bayerischen Landesverbands zu zerstreuen, und verwies darauf, stets ein Teamplayer gewesen zu sein. In Zukunft möchte Dr. Beier die Praxisteams und Medizinischen Fachangestellten (MFAs) noch enger an den Hausärzteverband binden. Ein zweiter Punkt wird die Intensivierung der Zusammenarbeit mit der allgemeinmedizinischen Fachgesellschaft DEGAM sein. Neben der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie werden die Modernisierung und der Ausbau der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) sowie die Eindämmung investorenfinanzierter Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) im Zentrum der Vorstandsarbeit stehen.

© Lopata, axentis.de

Stehende Ovationen: Die Delegierten des Hausärzteverbands dankten dem scheidenden Bundesvorsitzenden Ulrich Weigeldt.

Hausärzteverband fordert Zwei-Drittel-Quote bei Grippeimpfungen Älterer

Neben den Wahlen befasste sich der Hausärztetag auch mit aktueller Gesundheitspolitik. Es sei an der Zeit, den Fokus wieder auf andere Erkrankungen neben COVID-19 zu richten. Bestes Beispiel sei die anstehende Grippesaison. Die Hausärzte fordern, mit der geplanten bundesweiten Impfkampagne neben der COVID-19- auch die Grippeschutzimpfung zu bewerben. Die Zielvorgaben der Europäischen Union, wonach 75% der älteren Menschen gegen Grippe geimpft werden sollen, werden in Deutschland nicht annähernd erreicht. So betrug die bundesweite Impfquote in der Saison 2019/2020 38,8% aller über 60-Jährigen. Der Verband hat es sich zum Ziel gesetzt, dass sich mindestens zwei Drittel der über 60-Jährigen in dieser Saison gegen Influenza impfen lassen.

Generationswechsel: Ulrich Weigeldt (l.) reichte den Stab nach 16 Jahren an Dr. Markus Beier weiter. Fotos: Lopata, axentis.de

Promotionspreis „fame“ vergeben

Die Nachwuchsförderung unterstützt die Stiftung Perspektive Hausarzt mit der Vergabe des Promotionspreises „fame“. In diesem Jahr wurden drei Doktorarbeiten aus dem Themenbereich der hausärztlichen und familienmedizinischen Versorgung ausgezeichnet. Jeweils 2.500€ erhielten Dr. med. Elizabeth Sierocinski („Frequency of biopsies after the disclosure of incidental findings from whole-body research MRI“), Dr. med. Benedikt Kohler („Entwicklung und Evaluation eines Online-Selbstmanagementprogramms für Patienten mit Asthma bronchiale“) sowie Dr. med. Natalie Mücke („Die ärztliche Behandlung eigener Angehöriger: Eine Fragebogenstudie unter Hausärzten und Kinderärzten in Nordrhein“).

Neuer Verbandsname soll auch Allgemeinärztinnen einschließen

Auf Antrag der Vorsitzenden des Hamburger Hausärzteverbands, Dr. Jana Husemann, sowie anderer Mitglieder wird sich der Vorstand auch mit einem neuen Verbandsnamen befassen. Ein Berufsverband, der eine überwiegend weibliche Gruppe vertrete, müsse dies auch in seinem Namen zum Ausdruck bringen, so die Antragsteller. Es kursieren bereits erste Vorschläge wie „Berufsverband für Allgemeinmedizin“, „Berufsverband Allgemein- und Familienmedizin“ oder „Berufsverband hausärztliche Medizin“. Die Gender-Debatte hat also auch den Hausärzteverband erreicht.

Autor:
Franz-Günter Runkel
Betreut als freier Redakteur die Berufs- und Gesundheitspolitik sowie die Wissenschafts- und Hochschulpolitik


Zitierhinweis: erschienen in dieser Ausgabe
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