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1. Juni 2022

Festival der Allgemeinmedizin

Online-Event räumt mit Mythen auf und begeistert fürs Fach

Sechs authentische Referierende führten 380 Studentinnen und Studenten unterhaltsam und humorvoll durch das Programm des „Festivals der Allgemeinmedizin“. Ihre Botschaft war klar: Allgemeinmedizin ist bunt und alles andere als langweilig. Gleichzeitig wurden hartnäckige Mythen ausgeräumt. „Der Allgemeinarzt“ sprach mit zwei Initiatoren.

Das Bild der Allgemeinmedizin ist trotz des erkennbaren Wandels immer noch durch Mythen geprägt. Daraus entstand die Idee, Medizinstudenten in zeitgemäßer digitaler Form darüber zu informieren, was Allgemeinmedizin 2022 bedeutet“, erklärt Prof. Dr. med. Marco Roos, Lehrstuhlinhaber für Allgemeinmedizin an der Universität Augsburg.

Wie vielseitig der Hausarztberuf ist, erlebt Kahina Toutaoui, Ärztin in Weiterbildung und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Allgemeinmedizin der Berliner Charité, in ihrer Akutsprechstunde: „Von Ohrenschmerzen über geschwollene Knöchel bis hin zu Rückenproblemen, Bauchschmerzen oder Kurzatmigkeit ist alles dabei.“ Toutaoui erinnert sich an ihr vierwöchiges Blockpraktikum bei einem Hausarzt, bei dem sie das erste Mal Ultraschalle durchführen durfte. „Das Klischee der Eintönigkeit und Langeweile der Allgemeinmedizin ist eindeutig falsch.“

Falsche Botschaften können Studierende abschrecken

Kürzlich hatte der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. med. Klaus Reinhardt, erneut den drohenden Ärztemangel angesprochen. Im Gegenzug warnt Prof. Roos davor, die falschen Botschaften an die Studierenden zu richten: „Gerade im Hinblick auf Medizinstudierende müssen wir aufpassen, die jungen Leute nicht durch Ängste vor Überlastung und Versorgungslücken abzuschrecken. Vielmehr müssen die positiven Seiten allgemeinärztlicher Tätigkeit betont werden.“

Marco Roos sprach den hartnäckigen Mythos der 24-Stunden-Bereitschaft an sieben Wochentagen in der Praxis im eigenen Wohnhaus an. Tatsächlich arbeiten Hausärztinnen und Hausärzte dem Marburger Bund zufolge im Durchschnitt 50 bis 52 Stunden pro Woche. Dagegen arbeiten 40 Prozent der Ärzte im Krankenhaus 50 bis 60 Stunden und 20 Prozent von ihnen sogar mehr als 60 Stunden pro Woche. Die Annahme, dass Hausärzte 60 bis 80 Stunden wöchentlich arbeiten, so Roos, sei also eindeutig falsch. Die Allgemeinmedizin spricht auch immer mehr junge Ärztinnen an, weil das Arbeitsfeld nah am Menschen und gut mit den Bedürfnissen der Familienplanung vereinbar sei.

Statistisches Bundesamt errechnete 227.000 Euro Reinertrag pro Jahr

Ein Mythos ist, dass Hausärzte schlecht verdienen. Eine Oberärztin im Krankenhaus verdient dem Statistischen Bundesamt zufolge durchschnittlich 90.000 bis 150.000 Euro pro Jahr, „der Gehaltszuwachs ist hier aber nicht mehr so stark wie früher“, so Prof. Roos. Das Statistische Bundesamt hat für Hausärzte einen Reinertrag von 227.000 Euro im Jahr errechnet. Davon kann man wohl gut leben.

Die wissenschaftlichen Karriereoptionen der Allgemeinmedizin kamen auf dem Festival zur Sprache, ebenso die berufspolitischen Möglichkeiten der Verwirklichung (Dr. med. Jana Husemann, Vorsitzende des Hausärzteverbands Hamburg), wissenschaftliche Ambitionen rund um die Medizingeschichte (Dr. med. Sandra Blumenthal, Projekt „Das leere Sprechzimmer“), die Bedeutung landärztlicher Tätigkeit (Ruben Bernau) sowie Ausbildung und Lehre (Dr. med. Simon Schwill). Rund 200 Feedback-Äußerungen zum Festival fielen überwiegend positiv aus. Unter der Projektleitung des Instituts für hausärztliche Fortbildung (IHF) ist ein Leitfaden für die Weiterbildung entstanden, den die Teilnehmer nun anfordern können.

Bericht: Franz-Günter Runkel


Zitierhinweis: erschienen in dieser Ausgabe
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