
23. November 2022
Krankheiten der Atemwege
Chronischer Husten:
Chronischer Husten führt zu einem hohen Leidensdruck. Vor allem in der „Coronavirus“-Zeit wird man schnell gemieden, wenn man hustet. Neben der sozialen Ausgrenzung kann der Husten aber auch körperlich sehr belastend sein. Multiple Komplikationen (z.B. Hustensynkope, Hustenfraktur der Rippen, Abdominalhernien, Stressinkontinenz, Durchschlafstörungen) können auftreten. Chronischer Husten bedarf deshalb einer profunden Abklärung.
Funktion des Hustens
Die Atemwege treten mit jedem Atemzug in Kontakt mit der Luft, die zwangsläufig auch Stäube („particulate matter“; PM) enthält. In Abhängigkeit von der Größe der Partikel können diese weit in die Peripherie vordringen, Ultrafeinstaub (PM1) bis in die Alveolen, PM2,5 bis in die peripheren Bronchiolen. PM10 werden schon in den zentralen Atemwegen deponiert. Beim Gesunden vermag die mukoziliäre Clearance die Partikel, die im Bronchialsekret gebunden sind, zu entfernen. Nur wenn diese Clearance versagt, sind wir auf die Hustenclearance angewiesen – und natürlich auch bei der Aspiration größerer Boli.
Gründe für das Versagen der mukoziliären Clearance sind die passagere Schädigung des Flimmerepithels durch virale Infekte, toxische Effekte chemischer Substanzen im Zigarettenrauch und bei langjährigen Rauchern die Umwandlung von flimmertragenden Zellen in Becherzellen (Epithelmetaplasie). Chronischer produktiver Husten beim Raucher ist deshalb immer Ausdruck einer chronischen Bronchitis. Die Tatsache, dass sich die Lungen eines jahrzehntelangen Rauchers schwarz färben, beweist, dass die Hustenclearance nur mäßig effizient ist.
Neben der Reinigungsfunktion kann Husten jedoch auch warnend auf eine Organkrankheit hinweisen. Da die Rezeptoren der vagalen Afferenz im Bereich der Nase, des Larynx, der Bronchien, der Alveolen (Husten beim Prälungenödem) und der Pleura gelegen sind, manifestieren sich dort gelegene Erkrankungen häufig zuerst mit dem Symptom „Husten“.
Zwei Hustenfasern/-rezeptoren werden unterschieden: zum einen schnell adaptierende A-Fasern, zum anderen C(Chemo)-Rezeptoren. Die A-Fasern werden durch folgende Trigger gereizt: Rauch, Luftverschmutzung, hyper- bzw. hypotone NaCl-Lösung, mechanische Stimulation, bronchiale Obstruktion und pulmonale Überwässerung. C-Rezeptoren geben an, wenn sie in Kontakt mit Bradykinin (Abbauprodukt im Metabolismus von ACE-Hemmern), Capsaicin und Säure (Reflux!) kommen. Im Falle der Neumanifestation eines Hustens muss auf sogenannte Red Flags geachtet werden, die einer raschen Abklärung bedürfen (Tab.).
Von chronischem Husten wird gesprochen, wenn er länger als acht Wochen anhält.1 In einem solchen Fall wird er in einem ersten Schritt mittels Anamnese und klinischer Untersuchung zum Ausschluss offensichtlicher Ursachen (z.B. Einnahme von ACE-Hemmern etc.), Lungenfunktionsprüfung und Thoraxröntgen in zwei Ebenen abgeklärt.
Häufige Ursachen des chronischen Hustens
Irwin, ein US-amerikanischer Pneumologe, hat 20 Jahre lang den chronischen Husten erforscht. Von ihm stammt ein sehr einfacher Abklärungsalgorithmus, der bis zu 99% der Fälle chronischen Hustens erfasst. Dabei gilt:2
Folgende drei Kausalfaktoren sind für chronischen Husten von Bedeutung:
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Bronchiale Hyperreaktivität (Asthma) und eosinophile Bronchitis
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„Upper airway cough syndrome“ (DD einer chronischen Rhinosinusitis)
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Gastroösophagealer Reflux
... sofern folgende Abklärungen keine Pathologie ergeben haben:
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„High-Resolution“(HR)-CT des Thorax (in der Klinik)
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Fehlender bisheriger Nikotinkonsum (oder adäquate berufliche Rauchexposition)
Einnahme eines ACE-Hemmers in den letzten sechs Wochen
Eine bronchiale Hyperreaktivität oder eine eosinophile Bronchitis führen über die Inflammation der Atemwege zum Husten und werden vom Facharzt mittels eines Bronchoprovokationstests beziehungsweise mittels Messung der NO-Fraktion in der Ausatemluft abgeklärt.
Eine chronische Rhinosinusitis führt oft zu posteriorer Rhinorrhö („post-nasal drip“) (Abb.). Das subjektive Gefühl, diese zu spüren, gilt als relativ spezifisch. Heute geht man nicht mehr davon aus, dass einzelne Tropfen, wenn sie bis zum Larynx gelangen, den Husten vermitteln, sondern dass es sich um einen Reflexbogen handelt. Insofern erfolgte 2006 eine Umbenennung von „Post-nasal drip“-Syndrom in „Upper airway cough“-Syndrom.3 Zur Abklärung sind eine endonasale Untersuchung, eventuell sogar eine CT der Nasennebenhöhlen und auch ein Test des Riechvermögens indiziert.4
Mittels einer HR-CT des Thorax können Bronchiektasen, Tumoren, interstitielle Lungenerkrankungen, Linksherzinsuffizienz sowie pleurale Pathologien ausgeschlossen werden.
Ein ACE-Hemmer-Husten kann auch Jahre nach Beginn einer Therapie zum ersten Mal auftreten. Bei Husten unter ACE-Hemmer-Therapie sollte deshalb immer ein Wechsel auf ein anderes Blutdruckmedikament, zum Beispiel auf einen AT-II-Hemmer, erfolgen.
Irwin hat weiterhin beschrieben, dass bei 25% seiner Patienten mit messbarem gastroösophagealem Reflux dieser nicht als Magenbrennen wahrgenommen wurde, d.h. klinisch „stumm“ war. Dennoch löste er Husten und Pathologien im Bereich des Larynx und des Meso- und Rhinopharynx aus. Zur Abklärung eines Refluxes stehen in der Klinik verschiedene Methoden zur Verfügung:
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24-h-Larynx-pH-Metrie
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Kombinierte 2-Sonden-pH-Metrie und Ösophagus-Manometrie
Therapieversuch mit 2x40mg eines Protonenpumpenhemmers (PPI) über sechs Wochen
Unter einer Therapie mit PPI ist Reflux nicht mehr sauer, kann aber in Form eines nicht aziden Refluxes persistieren und via Mikroaspiration den Husten unterhalten. Zur kausalen Therapie zählen deshalb immer auch Propulsiva und eine Antirefluxdiät. Die Therapieoptionen aller möglichen Kausalfaktoren des chronischen Hustens sprengen den Rahmen dieser Publikation.5
Ebenso ergaben die Untersuchungen von Irwin, dass oft mehr als ein singulärer Kausalfaktor bei einem Patienten mit chronischem Husten vorhanden ist. Deshalb reicht die Behandlung nur eines Faktors oft nicht zur Linderung der Symptomatik.
Bleiben die Abklärungen bei chronischem Husten trotz der beschriebenen Schritte ohne Ergebnis, sind weitere Untersuchungen notwendig. Dazu gehört eine bronchoskopische Inspektion, da unter Umständen ein in der CT nicht kontrastgebender endobronchialer Fremdkörper aspiriert worden sein oder ein Karzinoid vorliegen könnte. Auch im Falle einer mediastinalen und hilären Lymphknoten-Adenopathie kann mittels endobronchialer Ultraschall-gesteuerter transbronchialer Nadelaspiration eine Sarkoidose diagnostiziert werden.
Bei Verdacht auf Milchglasverschattung in der Thorax-CT ist neben einer bronchoalveolären Lavage inkl. Mikrobiologie, Zytologie und Immunzytologie auch eine genaue Anamnese bezüglich Medikamenten (Methotrexat [MTX] u.a.) sowie rheumatoider Polyarthritis und Sklerodermie, die zur Lungenbeteiligung führen können, notwendig. Semisolide umschriebene Herde in der Thorax-CT müssen bei Persistenz abgeklärt werden, da sie manchmal eine frühe Form eines Adenokarzinoms mit lepidischem Wachstum darstellen.
Hustenhypersensitivität: Neuropathie der Hustenafferenzen
Irwin hat bereits vor Jahrzehnten befunden, dass wenige Kausalfaktoren den Husten erklären, wenn bestimmte Pathologien ausgeschlossen sind. Allerdings gibt es Menschen mit Asthma, Sinusitis und/oder Reflux, die trotzdem keinen chronischen Reizhusten aufweisen. Zusätzlich zu diesen extrinsischen Faktoren muss also auch ein intrinsischer Faktor bestehen, der zum Husten führt; dies besonders stark ausgeprägt, wenn zusätzlich die genannten Kausalfaktoren vorliegen. Der Husten kann jedoch auch ohne diese auftreten, allein ausgelöst durch Inhalation starker Gerüche und Rauch, d.h. durch Reizung pathologisch alterierter Hustenrezeptoren im Rachen- und Larynxbereich. Man geht heute davon aus, dass bei den Betroffenen eine Neuropathie der Hustenafferenzen vorliegt, die seit wenigen Jahren als „Hustenreflex-Hypersensitivität“ bezeichnet wird.6
Die Therapie des chronischen Hustens besteht deshalb nicht nur aus der Behandlung der Kausalfaktoren, sondern auch aus Medikamenten, wie sie z.B. bei neuropathischen Schmerzen eingesetzt werden, etwa Amitriptylin. 2012 wies eine Studie nach, dass auch Gabapentin in meist nicht zu stark sedierenden Dosen den Husten signifikant lindern kann.7
In den letzten Jahren sind Phase-II- und -III-Studien mit einem neuen Wirkstoff (Gefapixant) durchgeführt worden, der aber noch nicht zur Therapie zugelassen ist.8 Allerdings löst der Wirkstoff wohl sehr häufig Geschmacksstörungen aus, was den Einsatz limitieren wird.
KeyPoints
Ein chronischer Husten dauert >8 Wochen und wird in einem ersten Schritt mittels Anamnese, klinischer Untersuchung, Lungenfunktionsprüfung und Thoraxröntgen in zwei Ebenen abgeklärt.
Bei unauffälliger Bildgebung, fehlender relevanter Exposition gegenüber Noxen und fehlender Einnahme eines ACE-Hemmers ist der Husten in den allermeisten Fällen durch bronchiale Hyperreaktivität, „upper airway cough syndrome“ oder gastroösophagealen Reflux bedingt.
Bei chronischem Husten spielt die Hypersensitivität des Hustenreflexes eine wichtige Rolle und kann auch ohne kausale Faktoren auftreten. Man geht von einer Neuropathie der Hustenafferenzen aus.
Autoren
PD Dr. med. Tsogyal Daniela Latshang
Chefärztin
Dr. med. Thomas Rothe
Leitender Arzt
Fachbereich Pneumologie/Schlafmedizin
Departement Innere Medizin
Kantonsspital Graubünden, Chur
Interessenkonflikte:
Die Autoren haben keine deklariert.
Literatur
1 Chung KF, Pavord ID: Prevalence, pathogenesis, and causes of chronic cough. Lancet 2008; 371: 1364–74
2 Irwin RS et al.: Chronic cough. Am Rev Respir Dis 1990; 141: 640–7
3 Pratter MR: Chronic upper airway cough syndrome secondary to rhinosinus diseases (previously referred to as postnasal drip syndrome): ACCP evidence-based clinical practice guidelines. Chest 2006; 129 (1 Suppl): 63S–71S
4 Smith JA, Woodcock A: Chronic cough. N Engl J Med 2016; 375: 1544–51
5 Gibson P et al.: Treatment of unexplained chronic cough: CHEST Guideline and Expert Panel Report. Chest 2016; 149: 27–44
6 Chung KF, McGarvey L: Chronic cough as a neuropathic disorder. Lancet Respir Med 2013; 1: 414–22
7 Ryan NM et al.: Gabapentin for refractory chronic cough: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2012; 380: 1583–9
8 Abdulqawi R et al.: P2X3 receptor antagonist (AF-219) in refractory cough: a randomised, double-blind, placebo-controlled phase 2 study. Lancet 2015; 385: 1198–205
Zitierhinweis: erschienen in dieser Ausgabe
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