
16. Februar 2023
Pollenallergie (Pollinose)
Mehr als nur ein lästiges Kribbeln
Umgangssprachlich werden die Begriffe „Pollenallergie“, „Heuschnupfen“ und „allergische Rhinitis/Rhinokonjunktivitis“ meist synonym verwendet. Pollenallergie bezeichnet jedoch mehr als nur eine spezielle Symptomatik. Sie weist auf die Ursache der Beschwerden hin, die auch schwerere Symptome wie einen Asthmaanfall auslösen kann.1
Die Pollenallergie ist eine spezifische IgE-vermittelte Allergie vom Soforttyp (Typ-I-Allergie), ausgelöst durch feinstverteilte Proteinbestandteile der Pollen in der Luft. Sie ist die häufigste Form der Allergie und tritt während der Baum- (Februar bis Mai), Gräser- (Mai bis August) und Kräuterblüte (Juli bis Oktober) auf.2 In Europa liegt die Prävalenz von Allergien der Atemwege bei etwa 31% mit großen geografischen Unterschieden. Besonders hoch ist sie in Irland und Großbritannien (>25%), niedrig unter anderem in Island, Deutschland und Italien (<20%).3,4
Immunreaktion durch Pollenallergene
Pollen haben je nach Herkunft einen Durchmesser von 5 bis 200µm, meist jedoch zwischen 20 und 50µm. Sie enthalten potente Allergene: wasserlösliche Proteine und Glykoproteine, die bei Kontakt der Pollen mit der Schleimhaut innerhalb von Sekunden freigesetzt werden und eine IgE-vermittelte Immunreaktion verursachen können.1
Typische Beschwerden
Bei sensibilisierten Menschen treten die Beschwerden unmittelbar nach Kontakt mit dem auslösenden Allergen auf. Sie betreffen vorwiegend die Augen und die Nase (Tab.). Darüber hinaus berichten Betroffene von Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Je nach Schwere der Symptome können Allgemeinbefinden und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt sein.1,5
Eine Komplikation der Pollenallergie ist der sogenannte Etagenwechsel, also das Übergreifen auf die unteren Atemwege. Dies kann zu Asthma bronchiale mit Hustenreiz und Atemnot führen.
Die Diagnostik umfasst Anamnese, körperliche Untersuchung einschließlich einer Rhinoskopie und meist eine Hauttestung (Prick-Test, Intrakutantest). Hilfreich ist ein Allergie- oder Pollentagebuch, in dem notiert wird, wann die Symptome auftreten und wie stark sie jeweils ausgeprägt sind.1,2 Weitere Verfahren wie der nasale Provokationstest, Gesamt-IgE-Titer (Enzym-Immunoassay) und allergenspezifisches IgE (RAST, CAP-Test) sind der allergologischen Praxis vorbehalten.
Die beste Therapie: Allergenkarenz
Die effektivste, aber in der Regel nicht umsetzbare Behandlung ist es, die auslösenden Allergene zu meiden. Während der Pollenflugsaison kann es helfen – sofern möglich –, sich in Innenräumen bei geschlossenen Fenstern aufzuhalten und Luftfilter einzusetzen.
Medikamentöse Therapie
Zur Linderung der akuten Symptome stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung. Sie können topisch (Nasenspray, Augentropfen) oder systemisch (Tabletten) verabreicht werden:
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Antihistaminika
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Cromone
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Glukokortikoide
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Sympathomimetika
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Ipratropiumbromid
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Leukotrien-Rezeptorantagonisten
Cromone hemmen die Ausschüttung von Histamin aus Mastzellen und beugen so allergischen Entzündungsreaktionen vor. Aufgrund des günstigen Nebenwirkungsprofils werden sie häufig Schwangeren verschrieben. Cromone werden meist als Nasenspray oder Augentropfen eingesetzt. Es ist ratsam, sie bereits eine Woche vor dem ersten Pollenflug anzuwenden.
Antihistaminika blockieren schnell und effektiv die Histaminrezeptoren. Als Nasenspray verabreicht, können sie Symptome rasch dämpfen. Antihistaminika sollten über die gesamte Pollensaison hinweg regelmäßig eingenommen werden. Als unerwünschte Wirkung kann, vor allem bei älteren Substanzen, Müdigkeit auftreten und die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigt werden. Bei den H1-Antihistaminika der zweiten Generation ist dies in der Regel nicht oder nur noch in sehr geringem Ausmaß der Fall.
Glukokortikoide als Nasenspray verabreicht sind derzeit Standard in der Basistherapie der Pollenallergie. Aufgrund ihrer entzündungshemmenden Wirkung lindern sie die Rhinorrhoe und helfen, die Nasenschleimhäute abzuschwellen. Als Nebenwirkungen können Nasenbluten, eine trockene Nase und Irritationen im Rachenbereich auftreten.
In Form von Tabletten oder Spritzen sollten Glukokortikoide hingegen nur bei schweren allergischen Symptomen und nur kurzfristig eingenommen werden. Bei längerer Anwendung kommt es unter anderem häufig zu einer Gewichtszunahme, auch das Risiko für ein Glaukom steigt.
In etwa einem Viertel der Fälle reicht eine Monotherapie mit Glukokortikoiden nicht aus, um die Symptome zu bekämpfen. Dann können Kombinationspräparate helfen, etwa eine Fixkombination aus einem Glukokortikoid und einem Antihistaminikum als Nasenspray.
Leukotrien-Antagonisten hemmen Leukotriene, die bei Entzündungen im Bronchialsystem eine wichtige Rolle spielen. Sie sind zugelassen als Zusatztherapie bei leichtem bis mittelschwerem Asthma. Zwar wirken sie auch bei Heuschnupfenbeschwerden, allerdings schwächer als Glukokortikoide. Als Nebenwirkungen können Atemwegsinfektionen und Kopfschmerzen auftreten.
Alpha-Sympathomimetika als Nasentropfen oder -sprays bewirken in der akuten Phase das rasche Abschwellen der Nasenschleimhäute. Sie sollten jedoch nicht länger als zehn Tage angewendet werden, da die Gefahr der Gewöhnung besteht. Darüber hinaus können sie Nasenbluten, Niesreiz und Austrocknen der Nasenschleimhaut verursachen.
Möglicherweise profitieren Patienten mit allergischer Rhinitis auch von Nasenspülungen mit Kochsalz. In einem Review kam die Cochrane-Gesellschaft 2018 zum Schluss, dass die Studienlage darauf hindeutet, dass solche Nasenspülungen einen positiven Effekt haben. Für eine definitive Aussage reiche die Evidenz jedoch nicht aus.6
Spezifische Immuntherapie
Die einzige kausale Behandlung der Pollenallergie ist die Allergen-Immuntherapie (AIT) – vorausgesetzt die Indikation wurde korrekt gestellt. So müssen trotz symptomatischer Therapie und/oder Allergenkarenz eine moderate bis schwere intermittierende und persistierende allergische Rhinitis/Rhinokonjunktivitis und/oder zumindest teilkontrolliertes allergisches Asthma vorliegen. Zudem müssen eine korrespondierende klinisch relevante Sensibilisierung und die Wirksamkeit der AIT für die jeweilige Indikation/Altersgruppe nachgewiesen sein.
Die AIT kann als subkutane Immuntherapie (SCIT) oder oral als sublinguale Immuntherapie (SLIT) eingesetzt werden. Das Ziel ist, das Immunsystem allmählich an das Allergen zu gewöhnen, bis nur noch schwache oder gar keine Symptome mehr auftreten.
Die AIT soll von Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden, welche über die (Zusatz-)Weiterbildung Allergologie (D), Spezialisierung (AT) bzw. den Facharzt (CH) für Allergologie oder über ausreichende Erfahrungen mit dieser Therapie verfügen und zur Notfallbehandlung unerwünschter Arzneimittelwirkungen (anaphylaktischer Schock, schwerer Asthmaanfall u. a.) in der Lage sind.
Bericht: Dr. Corina Ringsell
Literatur
1 https://flexikon.doccheck.com/de/Pollinosis
2 www.pschyrembel.de/Pollinosis/K09SM
3 Beutner C et al.: Sensitization rates to common inhaled allergens in Germany - increase and change patterns over the last 20 years. J Dtsch Dermatol Ges 2021; 19(1): 37-44
4 Janson C et al.: The European Community Respiratory Health Survey: what are the main results so far? European Community Respiratory Health Survey II. Eur Respir J 2001; 18(3): 598-611
5 Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (www.pollenstiftung.de)
6 Head K et al.: Saline irrigation for allergic rhinitis. Cochrane Database Syst Rev 2018; 6(6): CD012597
7 S2k-Leitlinie zur Allergen-Immuntherapie bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen. Allergologie 2022; 45(9): 643–702
Zitierhinweis: erschienen in dieser Ausgabe
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