
29. August 2023
Was tun, wenn es keinen Termin in der rheumatologischen Praxis gibt?
Therapie der rheumatoiden Arthritis
Im vorigen Artikel haben wir Frau Kretzschmer kennengelernt, die sich mit seit einigen Monaten bestehenden Schwellungen beider Hände in der Praxis vorstellte. Die körperliche Untersuchung ermöglichte es uns, nach den Kriterien von ACR/EULAR die Diagnose rheumatoide Arthritis zu stellen. Im Folgenden betrachten wir die Therapie.
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Die nächste rheumatologische Praxis vergibt den nächsten Termin erst in sechs Monaten. Doch so lange wollen Sie die Patientin nicht unbehandelt lassen. Was tun?
Ich möchte Ihnen Mut machen: Machen Sie sich schlau. Sie haben es gelernt, eine Antikoagulation mit Phenprocoumon INR-gesteuert durchzuführen. Es wird Ihnen auch gelingen, die Basistherapie eines Rheumas mit Methotrexat (MTX) zu bewerkstelligen.
Wie wird ein Rheuma behandelt?
Wenn Rheuma nicht rasch behandelt wird, droht eine Zerstörung der Gelenke. Zur schnellen Besserung von Gelenkschwellungen und Schmerzen behandeln wir je nach Krankheitsaktivität mit 20–30mg Prednisolon. Prednisolon verursacht sehr viele schwere Nebenwirkungen, wenn es (zu) lange eingesetzt wird. Wir bemühen uns daher darum, Prednisolon nicht länger als ein Vierteljahr einzusetzen. Alle 14 Tage versuchen wir, die Prednisolon-Dosis zu reduzieren – anfangs beispielsweise von 20 auf 15mg, dann in 2,5er-Schritten auf 10mg, weiter in 1-mg-Schritten bis auf 0.
Welche Aufgabe hat das Praxisteam bei einer Behandlung mit Prednisolon?
Das Team muss darauf achten, dass, solange Prednisolon eingesetzt wird, die Patienten alle zwei Wochen ärztlich untersucht und jeweils immer CRP und BSG bestimmt werden. Die Ärzte sorgen dafür, dass noch am selben Tag die Information über die nächste Dosisreduktion an die Patienten gelangt.
Was machen wir, wenn es uns nicht gelingt, das Prednisolon zu reduzieren?
Sollte mit reduzierter Dosis keine zufriedenstellende Wirkung erzielt werden können, überweisen wir zur Rheumatologie. Außerdem ist dafür zu sorgen, dass spätestens nach sechs Monaten der Einnahme von Prednisolon 7,5mg oder mehr eine Knochendichtemessung stattfindet. Bei einem niedrigen T-Score in der Knochendichtemessung behandeln wir mit Alendronat und Vitamin D.
Was können wir tun, dass wir es schaffen, das Prednisolon zu reduzieren?
Wir behandeln mit MTX – je nach Krankheitsaktivität mit 7,5–15mg. Spritzen haben dabei keinen Vorteil vor Tabletten. Wichtig ist nur, dass die Patienten genau wissen: MTX darf keinesfalls jeden Tag, sondern nur einmal pro Woche eingenommen werden!
MTX wirkt verlangsamt, aber anhaltend. Die Zeit bis zur vollen MTX-Wirkung überbrücken wir mit Prednisolon. Auch MTX hat viele Nebenwirkungen, darum müssen anfangs fünfmal alle zwei, später alle vier Wochen Blut abgenommen und der Urin untersucht werden. Außerdem werden die Patienten von unseren MFAs nach Mundbrennen und Luftnot/Husten gefragt. Es gibt weniger Nebenwirkungen, wenn immer am Tag nach MTX Folsäure eingenommen wird. Wenn ein halbes bis ein Jahr lang die Blutwerte unter MTX in Ordnung waren, können die Laborkontrollen auf sechs bis acht Wochen gestreckt werden. Sobald die Patienten kein Prednisolon mehr brauchen, müssen sie sich nicht unbedingt mehr bei jeder Laborkontrolle beim behandelnden Arzt vorstellen.
Falls das Rheuma unter MTX zwei bis drei Jahre lang überhaupt nicht mehr aktiv war, können wir einen Auslassversuch mit den Patienten besprechen.
Da MTX stark fruchtschädigend ist, dürfen Schwangere oder Frauen, die schwanger werden wollen, es nicht bekommen.
Wie können wir die Aktivität des Rheumas messen?
Ein Instrument ist der Disease Activity Score (DAS) ( www.msdmanuals.com/medical-calculators/RheumatoidArthritisDAS28-de.htm ). Angegeben werden dabei der ESR- und der GH-Wert. ESR ist dasselbe wie BSG. GH steht für Global Health und gibt auf einer Skala von 0 bis 100 wieder, wie die Patienten selbst die Rheumaaktivität einschätzen. Dafür müssen wir die entsprechenden Gelenke auf Schwellung und Druckschmerz untersuchen und die Patienten nach Schmerzen an diesen Gelenken befragen.
Weitere Funktionsfragebögen sind:
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Health Assessment Questionnaire (HAQ): Fragebogen zum Gesundheitszustand, der Schwierigkeiten beim Anziehen, Waschen, Greifen etc. erfasst ( www.psobest.de/wp-content/uploads/downloads/2011/07/PsoBest_HAQ-Bogen.pdf )
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Hannover Funktionsfragebogen: Fragen nach Brot-Bestreichen, Heben von Gewichten von 10kg, Anziehen von Strümpfen etc. ( www.rheumatologie-muehlhausen.de/app/download/11311688391/FFbH.pdf?t=1618922168&mobile=1 )
Wo können wir uns über notwendige Laborkontrollen unter MTX informieren?
Unter https://dgrh.de/Start/Versorgung/Therapieinformationen/Therapieinformationsbögen.html können wir für alle wichtigen Rheuma-Medikamente nachschauen. Zugleich können wir unter dieser Website für unsere Patienten Informationen ausdrucken, damit auch sie über ihre Medikamente gut Bescheid wissen. Als Zeichen, dass ein Patient die Information erhalten hat, setzen wir zusätzlich zur Dauerdiagnose „rheumatoide Arthritis“ noch die Pseudodiagnose „rheumatoide Arthritis – hat Information Basistherapeutikum“.
Was ist beim Abrechnen zu beachten?
Bei GKV-Patienten setzen wir immer die Laborausnahmekennziffer 32023.
Was ist mit Impfungen?
Patienten unter dauerhafter Einnahme von Kortison oder von Medikamenten wie MTX haben ein deutlich höheres Risiko für schwere Verläufe von Infektionen. Wir bieten ihnen darum außer den üblichen auch Impfungen gegen Pneumokokken (erst Prevenar®, dann Pneumovax®), eine 4. Coronavirus-Impfung sowie zwei Impfungen gegen Gürtelrose (Shingrix®) und jährlich eine Grippeimpfung an.
Und was machen wir jetzt mit unserer Patientin Frau Kretzschmer?
Wir verordnen ihr parallel 25mg Prednisolon und 10mg MTX sowie Folsäure. In zweiwöchentlichen Konsultationen gelingt es uns, das Prednisolon innerhalb von vier Monaten auszuschleichen.
Frau Kretzschmer ist uns sehr dankbar – sie kann wieder ein Glas aufschrauben und die Teller, die sie aus der Spülmaschine geräumt hat, fallen ihr nicht mehr aus der Hand.
Nach zwei Jahren in kompletter Remission einigen wir uns mit ihr auf einen Auslassversuch – bis zum heutigen Tag hat sich das Rheuma nicht mehr zurückgemeldet.
KeyPoints
Prednisolon nicht länger als ein Vierteljahr einsetzen; alle 14 Tage versuchen, die Prednisolon-Dosis zu reduzieren – anfangs beispielsweise von 20 auf 15mg
Methotrexat wird je nach Krankheitsaktivität in einer Dosis von 7,5–15 mg verordnet.
Wegen der fruchtschädigenden Wirkung ist MTX bei Frauen mit Kinderwunsch und in der Schwangerschaft kontraindiziert!
Autor
Dr. med. Günther Egidi
Arzt für Allgemeinmedizin
Bremen
Interessenkonflikte:
Der Autor hat keine deklarier
Zitierhinweis: erschienen in dieser Ausgabe
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