
29. August 2023
Stoffwechselstörungen
Diabetes und Adipositas
Die Wahl der antidiabetischen Therapie wird durch die primäre Pathophysiologie bestimmt. Besonders interessant bei der Adipositas-zentrierten Therapie sind die GLP-1-Analoga, die einen Diabetes nicht nur behandeln, sondern bei höherer Dosierung auch verhindern können.
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Weltweit kommt es zu einer Zunahme von Übergewicht und Diabetes mellitus (DM). Beide sind eng miteinander verbunden. Untersuchungen zeigen, dass bis zur Hälfte aller Personen mit Übergewicht und Adipositas zusätzlich an DM leiden.1 Umgekehrt sind circa 90% der Patienten mit DM entweder übergewichtig oder adipös.2 Für die Entwicklung von Übergewicht und Adipositas spielen prädisponierende Gene eine Rolle. „Bei der Geschwindigkeit, mit der die Adipositas zunimmt, ist der Einfluss von Umgebungsfaktoren aber wahrscheinlicher“, sagte Prof. Dr. med. Roger Lehmann vom Universitätsspital Zürich beim Diabetes Update Refresher. Die Adipositas verstärkt zwei Kerneffekte des DM: die Insulinresistenz und die Betazelldekompensation. Außerdem wirkt die Fettzelle wie ein endokrines Organ, das mit wenigen Ausnahmen Faktoren produziert, die ein metabolisches Syndrom begünstigen.3 „Könnte man frühzeitig in die Entwicklung der Adipositas eingreifen, wäre das der erste Schritt zur Primärprävention von Folgeschäden“, sagte der Spezialist. Denn ab dem BMI von 25kg/m2 bei Frauen und 28–30kg/m2 bei Männern nimmt die Zahl der Todesfälle infolge von kardiovaskulären (CV) und Krebserkrankungen zu.4
Pathophysiologie bestimmt Diabetestherapie
Die DM-Therapie richtet sich nach der primären Pathophysiologie.5 Bei Personen mit Adipositas und DM ist das primäre Ziel eine Gewichtsreduktion von >15%. Normalgewichtige Personen leiden vermutlich an Insulinmangel und benötigen deshalb eine glukozentrierte Therapie mit einem HbA1c-Ziel <7%. Stehen die kardiovaskulären Krankheiten im Vordergrund, werden bevorzugt kardioprotektive Antidiabetika eingesetzt. Bei der Adipositas-zentrierten Therapie sind GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA), SGLT2-Inhibitoren (SGLT2-I) und Metformin Therapie der Wahl, bei der kardiozentrierten Therapie SGLT2-I und GLP-1-RA und bei der glukozentrierten Therapie Insulin, alternativ auch GLP-1-RA.
Adipositastherapie
Bis zu einem BMI <30kg/m2 erfolgt die Gewichtsreduktion primär mithilfe von Lebensstilmaßnahmen, vor allem durch veränderte Ernährung und mehr körperliche Bewegung. Bei Werten von 30–35kg/m2 können zusätzlich medikamentöse Therapien eingesetzt werden. Ein bariatrischer Eingriff kann ab einem BMI >35kg/m2 erwogen werden.
Die Gewichtsreduktion durch Lebensstilveränderungen ist am effektivsten, wenn körperliche Aktivität und Diät miteinander kombiniert werden. „Bei der Diät ist weniger die Art als vielmehr die Adhärenz für den Gewichtsverlust entscheidend“, sagte Lehmann.
Bariatrische Operationen wie der Roux-Y-Magenbypass und der Schlauchmagen bewirken eine Veränderung der gastrointestinalen Peptide. Dabei spielt besonders die Zunahme des „Glucagon-like Peptide 1“ (GLP-1) eine wichtige Rolle; dieses hemmt den Appetit und reduziert die Nahrungsaufnahme, gleichzeitig nimmt die Insulinsekretion zu. Ein bariatrischer Eingriff kann das Sterberisiko von Patienten mit Adipositas um 40% reduzieren.6 Jede Intervention, die einen Gewichtsverlust zur Folge hat, reduziert zudem die kardiovaskulären Risiken.7
Ein ähnlicher Effekt wie durch einen bariatrischen Eingriff kann durch einen GLP-1-RA erreicht werden. Die Gewichtsabnahme ist dabei umso größer, je höher die Dosis des GLP-1-RA ist.8 Die im Rahmen der STEP-4-Studie bei Patienten mit Übergewicht und Adipositas untersuchte Behandlung mit Semaglutid 1x wöchentlich 2,4mg s.c. reduzierte das Körpergewicht nach 20 Wochen („Run-in“-Phase) um 11kg und nach einem Jahr um 18kg. Bei Patienten, deren Behandlung im Verlauf der Untersuchung von Semaglutid auf Placebo gewechselt wurde, kam es zu einem Wiederanstieg des Körpergewichts.9 Die Ergebnisse des STEP-Studienprogramms zeigten, dass die Behandlung mit Semaglutid (2,4mg/Woche) bei Patienten mit DM zu einer Gewichtsreduktion um 15–17% und bei Patienten ohne Diabetes um etwa 10% führt. Bei 84% der Patienten in der GLP-1-RA-Gruppe und bei 47,8% in der Placebogruppe, die zu Beginn der STEP-1-Studie an einem Prädiabetes litten, kam es während der 68-wöchigen Studiendauer zu einer Normalisierung der Blutzuckerspiegel.10
Bericht: Regina Scharf, MPH
Quelle:
FOMF Diabetes Update Refresher, Zürich
Literatur
1.Nichols GA et al.: The high prevalence of diabetes in a large cohort of patients drawn from safety net clinics. Prev Chronic Dis 2016; 13: E78
2. World Health Organization report on obesity and overweight. Einsehbar unter: www.who.int
3. Lazar MA et al.: How obesity causes diabetes: not a tall tale. Science 2005; 307: 373–5
4. Calle EE et al.: Body-mass index and mortality in a prospective cohort of U.S. adults. N Engl J Med 1999; 341: 1097–105
5. Arbeitsgruppe der SGED/SSED: Lehmann R et al.: Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SGED/SSED) für die Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 (2020). Einsehbar unter: www.sgedssed.ch
6. Adams TD et al.: Long-term mortality after gastric bypass surgery. N Engl J Med 2007; 357: 753–61
7. Zomer E et al.: Interventions that cause weight loss and the impact on cardiovascular risk factors: a systematic review and meta-analysis. Obes Rev 2016; 17: 1001–11
8. Isaacs D et al.: Role of glucagon-like peptide 1 receptor agonists in management of obesity. Am J Health Syst Pharm 2016; 73: 1493–507
9. Rubino D et al.: Effect of continued weekly subcutaneous Semaglutide vs placebo on weight loss maintenance in adults with overweight or obesity: the STEP 4 randomized clinical trial. JAMA 2021; 325: 1414–25
10. Wilding JPH et al.: Once-weekly Semaglutide in adults with overweight or obesity. N Engl J Med 2021; 384: 989–1002
Zitierhinweis: erschienen in dieser Ausgabe
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