
18. März 2023
Geriatrie
Diabetes im Alter
Die meisten Patienten mit Diabetes sind älter als 65 Jahre. Aber wie ernst muss ein sogenannter Altersdiabetes überhaupt genommen werden? Eine Antwort auf diese und andere Fragen zur Diabetesbehandlung bei älteren Menschen lieferte Prof. Dr. med. Roger Lehmann vom Universitätsspital Zürich im Rahmen eines Update Refreshers.
Auch im Alter ist Typ-2-Diabetes alles andere als harmlos. Das liegt vor allem an den Hypoglykämien. Diese sind die am meisten gefürchtete kurzfristige Komplikation des Typ-2-Diabetes und mit einem erhöhten Risiko für Stürze und Frakturen, kardiovaskuläre Ereignisse wie Angina pectoris oder Arrhythmien sowie mit kognitiver Verschlechterung assoziiert.
„Hypoglykämien sind vor allem bei älteren Menschen oft unterdiagnostiziert“, sagte Prof. Roger Lehmann. Der Grund sind oftmals unspezifische Symptome wie Schwäche, Schläfrigkeit, Schwindel oder das Auftreten von Doppelbildern und Konzentrationsstörungen. Diese würden oft auf das Alter geschoben, als transitorische ischämische Attacke, vertebrobasiliäre Minderversorgung oder vasovagale Schwindelattacke fehldiagnostiziert. Besonders hoch ist das Risiko für eine Hypoglykämie bei älteren Personen mit reduzierter Nierenfunktion, kombinierter antidiabetischer Therapie mit Sulfonylharnstoffen und Insulin, kognitiven Beeinträchtigungen und Polypharmazie.
Kognition leidet bei Diabetes
Die mikro- und makrovaskulären Spätfolgen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes sind eine Folge des Zusammenspiels multipler Faktoren. Der Diabetes ist jedoch der wichtigste unabhängige Risikofaktor für das Auftreten solcher Komplikationen. Etwa die Hälfte der Betroffenen leidet bei der Diabetesdiagnose bereits an mikro- oder makrovaskulären Folgeerkrankungen. Vor allem der Einfluss des Typ-2-Diabetes auf die kognitiven Funktionen wird häufig unterschätzt.1 „Wiederholte schwere Hypoglykämien haben einen extrem schlechten Einfluss auf die Kognition“, sagte Lehmann. Demgegenüber verstärkt eine chronische Hyperglykämie die Progression der zerebralen mikrovaskulären Erkrankung. Darunter leidet auch das Selbstmanagement: Die Therapieadhärenz nimmt ab, es passieren Fehler bei der Medikamenteneinnahme und Mahlzeiten werden ausgelassen.
Medikamente meiden, die Hypoglykämien verursachen
Die Behandlung älterer Menschen mit Typ-2-Diabetes sollte individuell und nach Abwägung von Risiken, Nutzen und Kosten der Antidiabetika erfolgen. Auch die Lebenserwartung und die Unabhängigkeit sollten bei der Therapiewahl berücksichtigt werden. „Ein hohes Lebensalter ist keine Entschuldigung für eine ungenügende Behandlung“, sagte Lehmann.
Das anvisierte HbA1c-Ziel ist unter anderem von der antidiabetischen Therapie abhängig. Prinzipiell wird ein HbA1c-Wert <7% angestrebt. Das gilt jedoch nicht für die Behandlung mit Sulfonylharnstoffen alleine oder in Kombination mit Insulin. Der Grund ist das erhöhte Hypoglykämierisiko. Wegen ihres geringen Hypoglykämierisikos und ihrer kardio- und renoprotektiven Effekte sollten bei älteren Menschen bevorzugt GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) und SGLT2-Inhibitoren (SGLT2-I) in Kombination mit Metformin und/oder DPP-4-Inhibitoren eingesetzt werden. Bei Patienten, die wegen eines Insulinmangels Basalinsulin benötigen, muss die Behandlung mit Sulfonylharnstoffen gestoppt werden. Als Kombinationstherapie eignen sich beispielsweise GLP-1-RA. Die Behandlung mit Metformin ist bei einer eingeschränkten Nierenfunktion mit einer eGFR <30ml/min/1,73m2 kontraindiziert. Dafür können SGLT2-I neu auch bei Patienten mit einer eGFR <30ml/min/1,73m2 eingesetzt werden.
Abb.: Empfehlungen der SGED für die Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 2020 (adaptiert nach Lehmann et al.)2
Maximal fünf Tabletten pro Tag
Die Diabetesbehandlung erfolgt auch bei älteren Patienten immer multifaktoriell und schließt Maßnahmen wie Lifestyle-Interventionen und die medikamentöse Therapie von Risikofaktoren mit ein. Wie bei allen chronischen Erkrankungen stellt sich auch hier die Frage, wie sich die Medikamentenadhärenz verbessern lässt. Eine einfache, aber bewährte Maßnahme ist eine Vereinfachung der Medikamenteneinnahme durch die Reduktion der täglichen Arzneimitteldosen und den Einsatz von Kombinationspräparaten.3 „Das Ziel ist eine Einnahme von maximal fünf Tabletten pro Tag“, sagte Lehmann. Als mögliche Beispiele nannte er die Fixkombinationen von Metformin und SGLT2-I zur Diabetestherapie, die antihypertensive Therapie mit Perindopril plus Amlodipin oder zusätzlich mit Atorva-statin zur Behandlung von arterieller Hypertonie und Dyslipidämie oder die duale Lipidsenkung mit Ezetimib plus Atorvastatin.
Bericht: Regina Scharf, MPH
Quelle:
FOMF Diabetes Update Refresher, Zürich
Literatur
1. Strachan MW et al.: Cognitive function, dementia and type 2 diabetes mellitus in the elderly. Nat Rev Endocrinol 2011; 7: 108–14
2. Empfehlungen der SGED zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2, 28. Februar 2020. Einsehbar unter: www.sgedssed.ch
3. Claxton AJ et al.: A systematic review of the associations between dose regimens and medication compliance. Clin Ther 2001; 23: 1296–310
Zitierhinweis: erschienen in dieser Ausgabe
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