
5. April 2023
Kontrazeption
Individuelles Pillenregime
Die Einführung der „Pille“ in den 1960er-Jahren hat das Leben von Frauen (und Männern) weltweit verändert. Seitdem gab es zahlreiche Empfehlungen zur Einnahme. Neue Präparate ermöglichen Einnahmeschemata, die vom „klassischen“ abweichen. Darüber sollten Frauen aufgeklärt werden, rät die Faculty of Sexual & Reproductive Healthcare (FSRH) in ihrer Leitlinie.
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Auf der Internetseite der FSRH sind diverse Empfehlungen zu Fragen rund um das Thema Kontrazeption übersichtlich zusammengestellt, beispielsweise Methoden der Verhütung, Verhütung in der Schwangerschaft oder in anderen besonderen Situationen, Interaktion der Pille mit anderen Medikamenten etc.
Kapitel 6 in der Empfehlung zu den kombinierten oralen Kontrazeptiva („combined hormonal contraception“, CHC) widmet sich abweichenden Einnahmeschemata der Pille („tailored CHC regimes“). „Wichtig ist, die Patientinnen zu informieren, dass diese Einnahmeschemata offiziell nicht zugelassen sind“, sagt Dr. med. Janna Pape, Oberärztin in der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Inselspital Bern. „Aber manche Frauen können von einem abweichenden Schema profitieren, zum Beispiel Frauen mit Migräne oder starkem prämenstruellem Syndrom.“
Klassische Einnahmeschemata wurden so konzipiert, dass einmal pro Monat eine Blutung auftritt und so der natürliche Zyklus nachgeahmt wird. Die Frau nimmt die Pille 21 Tage lang, gefolgt von sieben Tagen Placebopillen oder Pillenpause. Auch Hormonpflaster und Vaginalringe mit Östrogenen und Gestagenen funktionieren ähnlich. Daneben gibt es verschiedene abweichende Regime:
-
Die Frau nimmt die Pille kontinuierlich ohne hormonfreies Intervall.
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Sie nimmt die Pille länger, z.B. drei Monate. Der Zeitpunkt des hormonfreien Intervalls wird fix oder flexibel gewählt.
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Das hormonfreie Intervall wird verkürzt (vier statt sieben Tage).
„Die Schemata 1 und 2 mit kontinuierlicher oder längerer Hormoneinnahme haben den Vorteil, dass es seltener zu Abbruchblutungen kommt und möglicherweise die damit verbundenen Menstruationsbeschwerden in Stärke und Frequenz abnehmen“, erklärt Pape.
Nur für monophasische Pillen geeignet
Es wurden verschiedene nichtklassische Regime untersucht, aber die Daten reichen nicht aus, um eindeutige Empfehlungen zu geben. Die FSRH befürwortet den Off-Label-Einsatz abweichender Einnahmeschemata bei monophasischen kombinierten Kontrazeptiva, das bedeutet, dass jede hormonenthaltende Pille einen gleich großen Anteil von Östrogenen und Gestagenen beinhaltet. Diese Pillen sind als 21/7-Schema zugelassen mit aktiver Pille über 21 Tage und Placebo über sieben Tage. Dies entspricht auch der Liegedauer eines Vaginalrings über drei Wochen oder drei Hormonpflastern mit wöchentlichem Wechsel und anschließend einwöchiger Pause.
Bei mehrphasischen Pillen – bei denen die Pillen beispielsweise während der ersten Einnahmephase nur Östrogene und während der zweiten Phase Östrogene und Gestagene beinhalten – rät die FSRH von der Anwendung nichtklassischer Einnahmeschemata ab. „Mehrphasische Pillen möchten den natürlichen Zyklus imitieren“, erklärt Pape. „Daraus ergibt sich, dass die Reihenfolge der Pillen genau eingehalten werden muss. Beim nichtklassischen Regime startet man teilweise irgendwann im Zyklus, was dann bei mehrphasischen Pillen zu häufigeren Blutungsstörungen führen würde.“
Vorteile durch „maßgeschneiderte Regime“
Die nichtklassischen Regime können theoretisch das Risiko für unbemerkte Ovulationen („escape ovulations“) senken, die vor allem beim Vergessen einer Pille auftreten könnten. Eine längere Hormoneinnahme oder ein kürzeres hormonfreies Intervall könnten somit mit einer erhöhten kontrazeptiven Sicherheit einhergehen – Belege gibt es hierfür jedoch nicht.
Vom Nebenwirkungsprofil her sind klassische und nichtklassische Regime vergleichbar. In den meisten Studien ähnelten sich die Blutungsmuster oder waren mit längerer Hormoneinnahme sogar besser. Zwar können in den ersten Monaten einer kontinuierlichen oder verlängerten Einnahme häufiger Zwischenblutungen auftreten, aber deren Frequenz und Intensität nehmen mit der Zeit ab. In manchen Studien besserten sich auch prämenstruelle Symptome wie Aufgeblähtsein, Kopfschmerzen, Schmerzen im Unterleib oder Spannungen in den Brüsten. Wird das nichtklassische Schema gestoppt, setzt die Menstruation genauso schnell ein wie nach Unterbrechen des klassischen Schemas.
Wechsel auf individuelles Regime
Eine Frau kann – auch wenn sie davor nicht mit der Pille verhütet hat – bis Tag 5 des Zyklus mit dem neuen Regime starten. „In so einer frühen Phase sollte es bei normalem 28-Tage-Zyklus noch zu keiner nennenswerten Follikelreifung gekommen sein und die Schleimhaut ist noch schmal“, sagt Pape. Auch später im Zyklus kann die Frau das neue Schema noch beginnen, sofern eine Schwangerschaft ausgeschlossen wurde. „Man will verhindern, dass eine Frau mit angepasstem Regime und spätem Pillenbeginn unerwünscht schwanger wird, weil es zu einem Eisprung gekommen ist“, erklärt Pape. „Je später im Zyklus, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Eibläschen schon sprungreif gereift ist.“
Wenn eine Frau ihr bisheriges Einnahmeschema auf ein nichtklassisches Regime wechseln möchte, gibt es bestimmte Aspekte zu beachten, die in den Empfehlungen der FSRH detailliert nachzulesen sind.1
Bericht: Dr. med. Felicitas Witte
Literatur
1. The Faculty of Sexual & Reproductive Healthcare: FSRH Guideline Combined Hormonal Contraception. 2019 (amended November 2020). www.fsrh.org/standards-and-guidance/documents/combined-hormonal-contraception/
Zitierhinweis: erschienen in dieser Ausgabe
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