
9. Mai 2023
Krankheiten der Bauchspeicheldrüse
Chronische Pankreatitis
Während bei der akuten Pankreatitis die potenziell schwerwiegenden lokalen und systemischen Komplikationen im Vordergrund stehen, ist bei der chronischen Pankreatitis das erhöhte Risiko für die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms zu berücksichtigen. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über Diagnostik, Prognose und Therapie der chronischen Pankreatitis, wobei auch seltene Formen berücksichtigt werden.
Die chronische Pankreatitis ist gekennzeichnet durch progressive entzündliche Veränderungen bzw. rezidivierende Entzündungsschübe, die schließlich zu einem fibrotischen Umbau des Pankreasparenchyms führen („Nekrose-Fibrose-Sequenz“).1–4 Als Folge davon kann ein Verlust der exokrinen und endokrinen Pankreasfunktion auftreten. In diesem Stadium IV haben bis zu 20% der Patienten keine Schmerzen mehr, wohingegen in leichteren Fällen der Stadien I–II in den Rücken ausstrahlende Schmerzen und rezidivierende akute Pankreatitisschübe typisch sind.1,5
Die Inzidenz liegt bei 5–12/100.000 Einwohner, die Prävalenz bei 50/100.000 und die Mortalität ist im Vergleich zu derjenigen der Normalbevölkerung 3,6-fach erhöht.1,2,6 Die 10-Jahres-Überlebensrate beträgt 70% (vs. 93% in der Allgemeinbevölkerung) und die 20-Jahres-Überlebensrate 45% (vs. 65%).1,2,6 Dies ist in erster Linie durch ein erhöhtes Pankreaskarzinomrisiko bedingt. So beträgt bei chronischer Pankreatitis das kumulative Risiko für das Auftreten eines Pankreaskarzinoms innerhalb von zehn Jahren etwa 2% und innerhalb von 20 Jahren 4%. Dies entspricht einer Erhöhung des relativen Risikos um den Faktor 2,7. Bei hereditären Formen der Pankreatitis ist dieses Risiko sogar um den Faktor 70 erhöht, sodass diese Patientengruppe besonderer Aufmerksamkeit bedarf.
Die chronische Pankreatitis ist typischerweise multifaktoriell bedingt: Chronischer Nikotin- und Alkoholkonsum spielen neben anderen nutritiven, hereditären, immunologischen (autoimmunen) und auch anatomischen Ursachen (z.B. Pancreas divisum) eine entscheidende Rolle.2
Diagnostik und Sonderformen
Die Indikation für eine genetische Diagnostik bei vermuteter hereditärer Pankreatitis ist bei einer positiven Familienanamnese für chronische Pankreatitis bei Verwandten 1. und 2. Grades, bei Krankheitsmanifestation vor dem 25. Lebensjahr oder Entwicklung eines Pankreaskarzinoms vor dem 45. Lebensjahr gegeben. Da Trypsin wesentlich zur akuten Entzündungsreaktion bei chronischer Pankreatitis beiträgt, wird dabei die Aktivität verschiedener Enzyme bestimmt, die bei der Aktivierung des Trypsins aus Trypsinogen beteiligt sind (u.a. PRSS1+2, SPINK1, CTRC, CFTR und CASR).
Eine weitere Sonderform der chronischen Pankreatitis ist die Autoimmunpankreatitis. Es werden zwei Typen unterschieden.9,10 Typ I ist als Manifestation einer IgG4-assoziierten systemischen Erkrankung am Pankreas zu verstehen und spricht gut auf Steroide an. Er führt jedoch häufig zu Rezidiven, sodass eine niedrig dosierte Steroid- oder immunsuppressive Dauertherapie für die Remissionserhaltung erforderlich ist. Die Autoimmunpankreatitis Typ II ist hingegen als spezifische Pankreaserkrankung zu verstehen, die histologisch durch eine granulozytäre epitheliale Entzündungskomponente gekennzeichnet ist. Häufig sind jüngere Patienten mit Pankreatitis und Auftreten eines Ikterus betroffen. Auch diese Erkrankung spricht gut auf Steroide an, Rezidive sind selten. Es wird eine Assoziation mit der Colitis ulcerosa beschrieben.
Domäne der Diagnostik ist die Bildgebung in Verbindung mit Funktionstests.3 Sonografie, konventionelle Röntgenaufnahmen (Nachweis von Organverkalkungen in der Abdomenübersicht) und Computertomografie haben eine Sensitivität zwischen 60 und 90%, bei einer Spezifität um 80 bis 90%.11 Gut geeignet zur Darstellung von Ganganomalien des Pankreasgangs und der Seitenäste ist auch die Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie (MRCP), zur Diagnostik der Frühphase einer chronischen Pankreatitis vorzugsweise nach Sekretinstimulation.11 Auch die Endosonografie kann durch die Detektion charakteristischer Veränderungen der Echostruktur und den Nachweis unregelmäßiger Gangstrukturen oder intraduktaler Konkremente wichtige Informationen zur Diagnostik beitragen.12
Als einfacher Screeningtest ist die Stuhlelastase verfügbar, die normalerweise mehr als 200µg/g Stuhl beträgt.2 Ist diese auf unter 50µg/g vermindert, liegt mit einer Sensitivität von 98 bis 100% eine moderate bis schwere chronische Pankreatitis vor. Allerdings kann die Bestimmung bei Durchfällen oder Diabetes mellitus mit hohem HbA1c-Wert zu falsch niedrigen Werten führen. Vergleichsweise aufwendig ist dagegen der Sekretinstimulationstest. Er erfordert die Gewinnung von Duodenalsekret vor sowie 15, 30, 45 und 60 Minuten nach intravenöser Sekretinstimulation. Analysiert werden dann pH, Sekretvolumen und Bikarbonatgehalt. Für Spätphasen der chronischen Pankreatitis hat der Test eine hohe Sensitivität, bei Frühformen liegt diese jedoch nur bei 70 bis 75%.2
Therapie und Nachkontrollen
Ziel der Behandlung und Kontrolluntersuchungen sind ein adäquates Schmerzmanagement, der Ausgleich der exokrinen und endokrinen Pankreasinsuffizienz sowie die Früherkennung von Komplikationen wie Pseudozysten, Gallengangsstenosen und Pankreaskarzinom.2,7 Basis der Behandlung ist immer die absolute Alkohol- und Nikotinkarenz bzw. die Behebung auslösender Ursachen. Aufgrund der häufig im Vordergrund stehenden Schmerzen ist eine analgetische Stufentherapie nach dem WHO-Stufenschema zunächst mit Paracetamol (Stufe1), schwach wirksamen Opioiden wie Tramadol (Stufe2) und schließlich stark wirksamen Opioiden wie Pethidin und Fentanyl (Stufe3) geboten, gegebenenfalls in Kombination mit trizyklischen Antidepressiva oder auch einer begleitenden Psychotherapie. In therapierefraktären Fällen (Stufe4) können invasive Techniken wie die endosonografisch gezielte Ganglion-coeliacus-Blockade einen Stellenwert haben.
Die Behandlung der exokrinen Pankreasinsuffizienz besteht in der hoch dosierten Gabe von Pankreasenzymen (z.B. Kreon®, Ozym®, Pankreatan®, Pankreatin®), wobei je nach Präparat 20.000 bis 80.000 Einheiten für eine Hauptmahlzeit und 10.000 bis 25.000 Einheiten für eine Zwischenmahlzeit empfohlen werden.
Die Kontrolle des Therapieerfolgs erfolgt anhand der Symptome (Schmerzen, Fettstühle, Übelkeit und Erbrechen als Hinweis auf Pseudozysten), laborchemisch (Bilirubin, Cholestaseparameter, HbA1c, Vitamine A, D, B12, Folsäure, Zink, Ferritin, Tumormarker Ca 19-9) sowie durch sonografische Verlaufsuntersuchungen (Pseudozysten). Mit der Messung der Elastasekonzentration im Stuhl lässt sich der Erfolg der Substitutionstherapie nicht beurteilen, weil nur das menschliche, körpereigene und nicht das therapeutisch zugeführte Enzym gemessen wird.2,7
Bezüglich des Karzinomscreenings existieren keine klaren Empfehlungen der großen Fachgesellschaften. Es kann aber sinnvoll sein, Hochrisikogruppen in regelmäßigen Abständen auf das Auftreten eines Pankreaskarzinoms zu untersuchen, so zum Beispiel Patienten mit PRSS1-Mutation und Raucher.8 Als Screeningbeginn wird ein Alter von 35 bis 40 Jahren bzw. zehn Jahre früher als bei der Erstmanifestation der Erkrankung bei einem Verwandten empfohlen. Als bildgebende Verfahren kommen regelmäßige Sonografien alle sechs bis zwölf Monate, CT, Endosonografie, MRT oder auch die Bestimmung von Ca 19-9 in Betracht, wobei die erforderlichen Intervalle gegenwärtig unklar sind.
KeyPoints
Die „Nekrose-Fibrose-Sequenz“ führt bei der chronischen Pankreatitis schließlich zur Ausbildung einer exokrinen Pankreasinsuffizienz; wichtigste Risikofaktoren sind chronischer Alkoholüberkonsum und Nikotin.
Domäne der Diagnostik sind bildgebende Verfahren wie Sonografie, CT, MRI, MRCP, EUS sowie einfache und komplexere Funktionstests (Pankreaselastase im Stuhl, Sekretintest).
Die Bestimmung der Pankreaselastase im Stuhl erlaubt die Diagnosestellung einer exokrinen Pankreasinsuffizienz und die Kontrolle unter Enzymsubstitution.
Das Risiko für das Auftreten eines Pankreaskarzinoms ist bei chronischer Pankreatitis deutlich erhöht und muss speziell bei hereditären Formen berücksichtigt werden, wobei keine klaren Nachsorgeschemata definiert sind.
Autor
PD Dr. med. Heiko Frühauf
Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie
Zürich
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.
Literatur
1. Majumder S et al.: Chronic pancreatitis. Lancet 2016; 387: 1957–66
2. Hoffmeister A et al.: S3-Leitlinie Chronische Pankreatitis: Definition, Ätiologie, Diagnostik, konservative, interventionell endoskopische und operative Therapie der chronischen Pankreatitis. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Z Gastroenterol 2012; 50: 1176–224
3. Forsmark CE: Management of chronic pancreatitis. Gastroenterology 2013; 144: 1282–91
4. Witt H et al.: Chronic pancreatitis: challenges and advances in pathogenesis, genetics, diagnosis, and therapy. Gastroenteroloy 2007; 132: 1557–73
5. Mullhaupt B et al.: Impact of etiology on the painful early stage of chronic pancreatitis: a long-term prospective study. Z Gastroenterol 2005: 43: 1293–301
6. Yadav D et al.: The epidemiology of pancreatitis and pancreatic cancer. Gastroenterology 2013; 144: 1252–61
7. Raimondi S et al.: Pancreatic cancer in chronic pancreatitis; aetiology, incidence, and early detection. Best Pract Res Clin Gastroenterol 2010; 24: 349–58
8. Working Group IAP/APA Acute Pancreatitis Guidelines: IAP/APA evidence-based guidelines for the management of acute pancreatitis. Pancreatology 2013; 13: e1–15
9. Kamisawa T et al.: Recent advances in autoimmune pancreatitis: type 1 and type 2. Gut 2013; 62: 1373–80
10. Hart PA et al.: Recent Advances in Autoimmune Pancreatitis. Gastroenterology 2015; 149: 39–51
11. Conwell DL et al.: American Pancreatic Association Practice Guidelines in Chronic Pancreatitis: evidence-based report on diagnostic guidelines. Pancreas 2014; 43: 1143–62
12. Catalano MF et al.: EUS-based criteria for the diagnosis of chronic pancreatitis: the Rosemont classification. Gastrointest Endosc 2009; 69: 1251–61
Zitierhinweis: erschienen in dieser Ausgabe
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