
16. Februar 2023
Darmpflege nach Antibiotikatherapie
Probiotika für jeden?
Nach einer Behandlung mit Antibiotika sollen Probiotika als „gute“ Keime die Regeneration der Darmflora positiv beeinflussen. Über mögliche Nebenwirkungen wird dabei nur selten gesprochen. Und selbst die Wirksamkeit ist nicht erwiesen.
Dem Darmmikrobiom als dynamischer Ansammlung von Bakterien und anderen Mikroorganismen kommen wichtige Aufgaben bei Nährstoffverwertung und Immunabwehr zu. Dieses ökologische Gleichgewicht kann durch die Einnahme von Antibiotika gestört werden. Um einer Dysbiose des Darms, die mit einer geringeren Diversität und veränderten Häufigkeit bestimmter Bakterientaxa einhergeht, vorzubeugen und unerwünschte Wirkungen wie Diarrhöen zu verhindern, wird häufig zur Einnahme von Probiotika, oft in Kombination mit Präbiotika, geraten. Als erwiesen gilt ihre Wirkung aber nur bei der symptomatischen Therapie der Antibiotika-assoziierten Diarrhö (AAD) und zur Risikoreduktion von Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhöen (CDAD).1,2,3 Eine generelle antibiotikabegleitende Einnahmeempfehlung ist aufgrund der Studienlage jedoch als zweifelhaft zu werten.
Dabei ist zunächst unklar, ob und welche probiotischen Keime überhaupt im Darm aufgenommen werden. Zmora et al. stellten in einer placebokontrollierten Studie fest, dass die über vier Wochen eingenommenen Probiotika (elf Bakterienstämme) nur bei einem Teil der Patienten endoskopisch nachweisbar waren („Persister“), während sie beim anderen Teil völlig fehlten („Resister“).4 Ein im Alltag einfach zu messender klinischer Biomarker zur Voraussage des Ansprechens von Probiotika ist allerdings noch nicht verfügbar.4
Probiotika können Erholung des Mikrobioms verzögern
Auch in puncto Wirksamkeit kamen Zweifel auf: In einer prospektiven Längsschnitt-Interventionsstudie untersuchten Suezetal. 21 gesunde Personen, die für sieben Tage Ciprofloxacin und Metronidazol erhalten hatten.5 Im Anschluss wurde bei sieben Personen die spontane Rekonstitution des Mikrobioms abgewartet, sechs erhielten eine autologe fäkale Mikrobiota-Transplantation (aFMT) und acht ein Probiotika-Präparat mit elf Bakterienstämmen (2 x tgl. für 4 Wochen). Das Ergebnis: Während sich der Darm nach der aFMT innerhalb weniger Tage und spontan drei Wochen nach Absetzen der Antibiotika erholt hatte, verzögerte die Verabreichung der Probiotika die strukturelle und funktionelle Erholung des Mikrobioms und führte noch fünf Monate später zu einem signifikanten Unterschied in der Zusammensetzung.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den noch unklaren Einfluss von Probiotika auf das Darmresistom. Während Probiotika bei kolonisationsfreudigen Personen die Anzahl der Antibiotikaresistenzgene reduzierten, führten sie bei anderen zu einer Resistomexpansion, indem sie Stämme mit Vancomycin-Resistenzgenen förderten.6
Auch Nebenwirkungen möglich
Unerwünschte Wirkungen sind ebenfalls bekannt. Siedeln sich die eingenommenen Laktobazillen bereits im Dünndarm an, können sie zu Meteorismus und Bauchschmerzen führen. Vorsicht ist besonders bei immungeschwächten Menschen geboten. So kann die Arzneihefe Saccharomyces boulardii bei diesen systemische Pilzinfektionen auslösen. Bekannt ist auch, dass Probiotika den Verlauf einer Pankreatitis negativ beeinflussen können.
KeyPoints
Beim Gesunden erholt sich das Mikrobiom nach Absetzen einer Antibiotikatherapie spontan.
Probiotika kommen zur symptomatischen Therapie Antibiotika-assoziierter Diarrhöen (AAD) und zur Risikoreduktion von Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhöen (CDAD) zum Einsatz.
Die Einnahme von Probiotika kann den Wiederaufbau der natürlichen Darmflora nach einer Antibiotikatherapie hemmen und sollte daher nicht generell empfohlen werden.5 Bei Immungeschwächten und Personen mit Pankreatitis können Probiotika schädigende Wirkungen haben.
Die gegensätzlichen personenspezifischen und antibiotikaabhängigen Auswirkungen von Probiotika auf das Darmresistom müssen noch weiter untersucht werden.6
Bericht: Dr. med. Christine Adderson-Kisser, MPH
Literatur
1 Allen SJ et al.: Probiotics for treating acute infectious diarrhoea. Cochrane Database Syst Rev. 2010; 11: CD003048
2 Goldenberg JZ et al.: Probiotics for the prevention antibiotic-associated diarrhea in children. Cochrane Database Syst Rev 2015; 12: CD004827
3 Goldenberg JZ et al.: The use of probiotics to prevent Clostridium difficile diarrhea associated with antibiotic use. Cochrane Database Syst Rev 2017;12: CD006095
4 Zmora N et al.: Personalized gut mucosal colonization resistance to empiric probiotics is associated with unique host and microbiome features. Cell 2018; 174(6): 1388–405.e21
5 Suez J et al.: Post-antibiotic gut mucosal microbiome reconstitution is impaired by probiotics and improved by autologous FMT. Cell 2018; 174(6): 1406–23.e16
6 Montassier E et al.: Probiotics impact the antibiotic resistance gene reservoir along the human GI tract in a person-specific and antibiotic-dependent manner. Nat Microbiol 2021; 6(8): 1043–54
Zitierhinweis: erschienen in dieser Ausgabe
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