
5. April 2023
Akute Diarrhoe
Wann „Watch & Wait“ ausreicht
Akuter Durchfall ist eine häufige und meist selbstlimitierende Krankheit, die für gewöhnlich keiner Therapie bedarf. Anders sieht es aus, wenn Immungeschwächte an Diarrhoe erkranken oder der Durchfall auf Reisen erworben wurde. Und auch seltene, aber lebensbedrohliche Ursachen wie die Mesenterial-ischämie dürfen nicht übersehen werden.
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Akuter Durchfall tritt mit einer Inzidenz von etwa 1 pro Einwohner und Jahr auf – das heißt: So gut wie jeder ist einmal im Jahr davon betroffen. Per Definition der DEGAM liegen bei einer akuten Diarrhoe eine vermehrte Stuhlfrequenz (≥3× pro Tag) mit verminderter Stuhlkonsistenz (breiig bis flüssig) oder ein Wassergehalt ≥75% oder ein erhöhtes Stuhlgewicht (≥250g) vor. Die Dauer beträgt maximal 14 Tage.1
Pathophysiologisch handelt es sich entweder um eine sekretorische Diarrhoe, bei der infolge einer Entzündung der Darmwand vermehrt Wasser und Elektrolyte, evtl. auch Schleim und Blut in das Darmlumen abgegeben werden. Bei der osmotischen Diarrhoe dagegen binden im Darm verbliebene Nahrungsbestandteile wie Fette oder Stärke Flüssigkeit und verdünnen so den Stuhl. Während diese Form bei Nahrungskarenz sistiert, ist die sekretorische durch Fasten nicht zu beeinflussen.
Akute Durchfallerkrankungen sind meist infektiös oder toxisch bedingt und können weiter in entzündliche und nicht entzündliche Formen unterteilt werden (Tab.)2:
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Infektiöser, nicht entzündlicher Durchfall wird meist durch Viren ausgelöst und ist die häufigste Form, aber auch durch Bakterien ausgelöste Diarrhoen kommen oft vor und können auf Reisen oder durch verdorbene Lebensmittel erworben werden.
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Infektiöser, entzündlicher Durchfall dagegen verläuft meist schwerer und wird in der Regel durch invasive oder toxinbildende Bakterien verursacht, obwohl auch virale und parasitäre Auslöser vorkommen. Hinweisend sind blutiger Stuhl, hohes Fieber, starke Bauchschmerzen oder eine Dauer von mehr als drei Tagen.
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Zu den nicht infektiösen Ursachen von Durchfall gehören Nahrungsunverträglichkeiten, unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Appendizitis oder Mesenterialischämie, Schilddrüsen- oder andere endokrine Anomalien und gastrointestinale Erkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa.2 Viele dieser Prozesse sind zwar chronisch, können aber auch akut auftreten und sollten daher differenzialdiagnostisch mitbedacht werden.
Wann und wie sollte die Diagnostik erfolgen?
Eine Diagnostik ist nur dann notwendig, wenn Anzeichen einer invasiven Krankheit vorliegen oder wenn Risikofaktoren wie Immunschwäche, längere vorangegangene Erkrankung oder ein kürzlicher Krankenhausaufenthalt sowie ein Ausbruchsgeschehen bestehen. Dabei sind molekulare Untersuchungen den herkömmlichen Stuhlkulturen vorzuziehen.
Eine umfassende mikrobiologische Stuhluntersuchung auf Eizellen oder Parasiten wird nicht empfohlen, wenn der Durchfall seit weniger als sieben Tagen anhält, keine Immunschwäche vorliegt und keine Aufenthalte in Ländern mit endemischem Vorkommen gastrointestinaler Parasiten angegeben wurden. Dauert der Durchfall länger als sieben Tage an, sollte mit einem Molekular- oder Antigentest begonnen werden, so die Empfehlungen der Choosing Wisely Campaign.3 Liegt eine entsprechende Reiseanamnese vor, weist eine Inkubationszeit von weniger als sieben Tagen eher auf eine virale oder bakterielle Genese der Diarrhoe hin, bei mehr als 14 Tagen kommen eher Protozoen oder Helminthen infrage.
Symptomatische oder gezielte Therapie?
Die symptomatische Therapie mit oraler Substitution von Elektrolyten und Flüssigkeit ist meist ausreichend und kommt vor allem bei schweren Diarrhoen mit großem Flüssigkeitsverlust und Gefahr der Dehydratation zum Einsatz, um Komplikationen wie Kreislaufstörungen, Thrombosen und Embolien bis hin zu Nierenversagen und Schock vorzubeugen.
Auch Antidiarrhoika wie das motilitätshemmende Loperamid können eine sinnvolle symptomatische Therapie bei akuten wässrigen Durchfällen sein und dazu beitragen, den Antibiotikaeinsatz zu verringern. Die Kombination mit Simeticon hat sich dabei als wirkungsvoll erwiesen.4 Auch bei der antibiotischen Behandlung von Reisedurchfall konnte eine verkürzte Symptomdauer unter gleichzeitiger Gabe von Loperamid beobachtet werden.5,6 Bei schweren Infektionen mit Fieber und blutiger Diarrhoe sollten jedoch keine Antidiarrhoika verabreicht werden, da hierdurch ein Megakolon ausgelöst oder verstärkt werden kann.7
Die empirische Antibiotikagabe sollte nur bei Sepsis und in einigen Fällen von Reisedurchfall oder entzündlichen Durchfällen eingesetzt werden. Eine gezielte Antibiotikatherapie kann nach einer mikrobiologischen Stuhluntersuchung angebracht sein.2
Diarrhoe bei COVID-19
Auch bei einer Infektion mit dem SARS-CoV-2 tritt als eines der häufigsten gastrointestinalen Symptome bei bis zu 50% der Patienten Durchfall auf, mitunter noch vor den respiratorischen Symptomen.9 Pathophysiologisch kommen unter anderem eine Überexpression von Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE2) in den Enterozyten und eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmwand aufgrund der Entzündungsreaktion in Betracht.8 Aber auch medikamentöse Nebenwirkungen der Behandlung, vor allem mit antiviralen Medikamenten, Glukokortikoiden, Hydroxychloroquin, Ceftriaxon und Azithromycin, können zu Diarrhoen führen, die aber meist mild bis moderat ausfallen und keiner oder nur einer symptomatischen Therapie bedürfen.9 Die Ergebnisse verschiedener Studien legen nahe, dass das Auftreten von Diarrhoe bei COVID-19 ein prognostischer Faktor für einen längeren und schwereren Verlauf sein könnte.9 Spät im Krankheitsverlauf auftretende Diarrhoen (>20 Tage) waren in einer Studie mit einer erhöhten Sterblichkeitsrate assoziiert (50% vs. 4,3%).10
KeyPoints
Die meisten akuten Durchfälle beruhen auf Infektionen und bedürfen keiner oder nur einer symptomatischen Therapie.
Molekulare Untersuchungen sind den herkömmlichen Stuhlkulturen in den meisten Fällen vorzuziehen.
Bei blutigen Durchfällen und Fieber sind Antimotilitätsmittel kontraindiziert.
Eine antibiotische Therapie ist vor allem bei Immungeschwächten, bei schwer Erkrankten und in einigen Fällen von Reisediarrhoe notwendig.
Bericht: Dr. med. Christine Adderson-Kisser, MPH
Literatur
1. DEGAM S1-Handlungsempfehlung Akuter Durchfall; 2013
2. Meisenheimer ES MD, MBA, Epstein C DO, Thiel D MD, MPH. Acute Diarrhea in Adults. Am Fam Physician 2022; 106(1): 72–80
3. The American Society for Clinical Laboratory Science (ASCLS). Philadelphia (PA): ABIM Foundation [Internet]. Ten things physician and patients should question. C2023 (abgerufen am 20.02.2023). Verfügbar unter: www.choosingwisely.org/societies/american-society-for-clinical-laboratory-science/
4. Hanauer SB et al.: Randomized, double-blind, placebo-controlled clinical trial of loperamide plus simethicone versus loperamide alone and simethicone alone in the treatment of acute diarrhea with gas-related abdominal discomfort. Curr Med Res Opin 2007; 23(5): 1033–43
5. Riddle MS et al.: ACG clinical guideline: diagnosis, treatment, and prevention of acute diarrheal infections in adults. Am J Gastroenterol 2016; 111(5): 602–22
6. Riddle MS et al.: Effect of adjunctive loperamide in combination with antibiotics on treatment outcomes in traveler‘s diarrhea: a systematic review and meta-analysis. Clin Infect Dis 2008; 47(8): 1007–14
7. Monasterio C et al.: Akute und chronische Durchfallerkrankungen: Differenzialdiagnose und Therapie [Acute and chronic diarrhea: a roadmap to differential diagnosis and therapy]. Dtsch Med Wochenschr 2020; 145(18): 1325–36
8. Jin S et al.: COVID-19 induces gastrointestinal symptoms and affects patients‘ prognosis. J Int Med Res 2022; 50(10): 3000605221129543
9. Juthi RT et al.: COVID-19 and diarrhea: putative mechanisms and management. Int J Infect Dis 2023; 126: 125–31
10. Maslennikov R et al.: Early viral versus late antibiotic-associated diarrhea in novel coronavirus infection. Medicine 2021; 100: e27528
11. Hagel S et al.: S2k-Leitlinie „Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple“, AWMF-Reg.-Nr. 021/024; 2015
12. Ross AG et al.: Diagnosis and management of acute enteropathogens in returning travelers. Int J Infect Dis 2022; 123: 34-40
13. MSD Manual [Internet]. Rahway (NJ): MSD; c2023 (abgerufen am 20.02.2023). Nichttyphöse Salmonelleninfektionen (Salmonella). Verfügbar unter: www.msdmanuals.com/de-de/profi/infektionskrankheiten/gramnegative-bakterien/nichttyphöse-salmonelleninfektionen-salmonella
14. Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V. (DTG). S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Amöbiasis. AWMF-Reg.-Nr. 042/002; 2022
15. Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin [Internet]. Berlin: Springer Medizin (abgerufen am 20.02.2023). Giardia lamblia. Verfügbar unter: www.springermedizin.de/emedpedia/dgim-innere-medizin/giardia-lamblia?epediaDoi=10.1007%2F978-3-642-54676-1_310 .
16. Van Prehn J et al.: European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases: 2021 update on the treatment guidance document for Clostridioides difficile infection in adults. Clin Microbiol and Infect 2021; 27: S1–21
Zitierhinweis: erschienen in dieser Ausgabe
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