
29. August 2023
Elektrolytentgleisungen
Hyponatriämie – was tun?
Hyponatriämien sind häufig. Beispielsweise lässt sich für ältere Patienten eine Häufigkeit von 7 bis 53% epidemiologisch finden.1,2 Grenzt man dies weiter ein, so findet sich bei Patienten, welche Stürze in der Anamnese haben, eine Hyponatriämie in 9 bis 13% der Fälle.
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Bei weiteren internistischen Krankheitsbildern wie einer Leberzirrhose (20,8–49,4%), Herzinsuffizienz (10,2–27%) oder auch bei Dialysepatienten (bis 29,3%) sind dies häufige laborchemische Auffälligkeiten. In der erstgenannten Gruppe, Stürze bei Hyponatriämie, wiederum ist das Sturzrisiko bei einer chronischen Hyponatriämie um einen Faktor 9,45 erhöht.
In jüngster Zeit werden vor allem auch unter Immuntherapien bei Malignomen vermehrt Hyponatriämien festgestellt.3 In der Regel sind diese bedingt durch eine sekundäre Nierenrindeninsuffizienz. Eine Hypophysitis mit nachfolgendem Hypopituitarismus liegt hier häufig vor.
Neben den genannten Gründen müssen noch die medikamentös induzierten Hyponatriämien erwähnt werden (Tab.1).2
Pathophysiologie
Der Natriumhaushalt ist eng mit dem Wasserhaushalt vergesellschaftet. Von beidem, Natrium und Wasser, finden große transzelluläre Shifts im Körper statt.4 Allein für das Intestinum lässt sich beispielsweise mit der Nahrungsaufnahme eine Zufuhr von 2–3 Litern pro Tag feststellen, bei einer Magensekretion von 2Litern am Tag, einer Gallen- und Pankreassekretion von weiteren 1,5Litern, einer Dünndarmsekretion von 3–4Litern ergeben sich daraus Mengen bis 11,5Liter, welche natürlich keinesfalls so ausgeschieden werden. Unter normalen Bedingungen erfolgt im Jejunum und im Ileum eine Resorption von bis zu 10Litern und des letzten Liters dann im Kolon. Natrium wiederum findet sich überwiegend im Extrazellulär- und Intravasalraum. Während die Konzentration im Extrazellulärraum bei 140mmol/l liegt, beträgt diese intrazellulär nur 8mmol/l. Damit ist klar, dass Natrium über die Zellkompartimente unterschiedlich konzentriert ist. Die genaue Einstellung der Natriummenge erfolgt in der Niere.
Bei einer klassischen Volumenkontraktion –diese ist im Regelfall isoton, d.h., Elektrolyte und Wasser sind gleichsinnig reduziert – erfolgt durch die Volumenkontraktion eine Aktivierung von Volumensensoren.5 Diese wiederum führen in der Niere zu einer Antinatriurese, die zu einer vermehrten Aufnahme von Natrium und nachfolgend Wasser und so zu einer Rückstellung in den Bereich der Euvolämie führt. Entscheidend dafür ist aber auch die Niere selbst. Beim Volumenmangel kommt es zu einer Aktivierung der Renin-Aldosteron-Kaskade.6 Aldosteron wiederum führt zu einer vermehrten Natriumrückresorption im Sammelrohr, insbesondere ergeben aber auch die Vorstufen im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System eine auch schon im proximalen Tubulus sichtbar vermehrte Natriumrückresorption und nachfolgend von Wasser. Die Feinabstellung ist deshalb auch so effektiv, weil in der Niere 99% des ursprünglich filtrierten Wassers und Natriums rückresorbiert wird. Davon entfallen 60% auf das proximale Konvolut, auf die Henle’sche Schleife und die dicken ansteigenden Tubulusepithelien 25%, auf das distale Konvolut 5–7% und auf die Sammelrohre 3–5%. Daraus ergibt sich, dass bereits kleinste Störungen in diesem Bereich zu erheblichen Störungen des Natriums führen können. Beispielsweise lässt sich durch Thiaziddiuretika im distalen Konvolut die Rückresorption von Natrium hemmen und dadurch entstehen u.a. ebenfalls Hyponatriämien.7
Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System lässt sich umgekehrt aber auch im Bereich der Niere beeinflussen. Im proximalen Tubulus – dort erfolgen 60% der Rückresorption des Natriums – kann unter Einfluss von ACE-Hemmern oder Angiotensinrezeptorblockern die Rückresorption etwas gebremst werden. Damit wird den stromabwärts liegenden Epithelien mehr Natrium angeboten. Der nächste wichtige Ort der Natriumrückresorption ist der Natrium-Kalium-2-Chlorid-Transporter, welcher sich am aufsteigenden dicken Schenkel der Henle’schen Schleife befindet und bis zu 25% der Natriumrückresorption übernimmt.8 Dieser Transporter lässt sich durch Schleifendiuretika hemmen.
Weiter stromabwärts befindet sich im distalen Konvolut der Natrium-Chlorid-Transporter, ein Transporter, welcher durch Thiazide gehemmt werden kann und bei einer Blockade ebenfalls zu einer Hyponatriämie führen kann.9 Im Sammelrohr wiederum befinden sich Natriumkanälchen unter Einfluss von Aldosteron. Hier erfolgt die Feinabstimmung.
Neben dem Renin-Angiotensin-Aldosteron-System ist für die Volumenregulation und damit indirekt für die Feineinstellung der Natriumkonzentration Vasopressin relevant. Kommt es im effektiven arteriellen Blutsystem zu einer Unterfüllung, aktiviert dies entsprechend einem nicht osmotischen ADH-Exzess die ADH-Sekretion.5 ADH wiederum aktiviert Aquaporine in den Sammelrohren und führt zu einer vermehrten Rückresorption freien Wassers. Findet sich allein eine Aktivierung des ADH beispielsweise durch Volumenverlust, können durch die Rückresorption von freiem Wasser über Aquaporine auch relative Verdünnungshyponatriämien entstehen, bei einem gesamt erhöhten Wasserbestand des Körpers. Diese nicht osmotische ADH-Stimulation erfolgt bei einem Rückgang des Blutvolumens von mehr als 10% und ist besonders ausgeprägt, wenn mehr als 20% fehlen. Der eigentliche Stimulus in Situationen ohne Volumendefizit für die ADH-Sekretion ist ein Anstieg der Plasmaosmolalität. Die Schwelle hierfür liegt bei 280mmol/l, was im Regelfall einem Natriumwert von 140 entspricht.
Neben diesen pathophysiologischen Überlegungen ist für die klinische Einteilung der Hyponatriämie und insbesondere für deren Behandlung eine Einteilung nach Volumenstatus wichtig (Tab. 2).
Besteht eine Euvolämie, ist überwiegend das Syndrom der inappropriaten ADH-Sekretion (SIADH) die Ursache.5 Hierbei kommt es zu einer nicht osmotischen ADH-Sekretion aus anderen Ursachen (beispielsweise bei Lungenprozessen, Lungentumoren, Pneumonien, aber auch Schmerz etc.). Einen ähnlichen Effekt kann man unter Diuretika beobachten, wenn das Volumen durch Zufuhr freien Wassers ersetzt wird (insbesondere bei Thiaziddiuretika), bei Hypothyreoidismus und Hypocortisolismus bei einer primären Polydipsie.
Bei internistischen Erkrankungen, welche zu einer Abnahme des effektiven Blutvolumens führen (Unterfüllung des arteriellen Systems), finden sich deutliche Hypervolämien, wobei diese dann häufig auch zu einer Hyponatriämie führen können. Hier sind die Herzinsuffizienz, die Leberzirrhose, aber auch die chronische Nierenerkrankung und insbesondere das nephrotische Syndrom zu nennen.10
Häufiger und durchaus auch in der Klinik relevant ist die Hyponatriämie bei Hypovolämie. Bei renalen Verlusten (osmotische Diurese, Salzverlustniere, Diuretika, Nebennierenrindeninsuffizienz) kann diese sehr ausgeprägt vorhanden sein. Typisch sind aber auch extrarenale Verluste durch Erbrechen, Durchfall, Pankreatitis, Schwitzen oder eine intestinale Obstruktion.
Ist die Störung klinisch zugeordnet, orientiert sich das weitere Vorgehen an diesem Volumenstatus (Abb. 1). Für manche Krankheitsbilder ist es hilfreich, das Urin-Natrium zu bestimmen. Insbesondere bei den Krankheitsbildern mit Störung des Volumenhaushaltes (Hypo- oder Hypervolämie) ist das sinnvoll. Bei renalen Verlusten findet sich im Regelfall auch eine Erhöhung des Urin-Natriums auf >20 mmol/l, bei extrarenalen Verlusten <10 (Abb. 2).
Therapie der Hyponatriämie
Bei der Therapie der Hyponatriämie muss zwischen einer schnell entstandenen Hyponatriämie (innerhalb von Stunden, allenfalls wenigen Tagen) und einer chronischen Hyponatriämie unterschieden werden. Bei einer chronisch entstandenen Hyponatriämie würde ein schneller Ausgleich des Natriums korrespondierend zu einer Dehydrierung des Gehirns führen, mit entsprechenden Störungen.11 Würde hier ein schneller Ausgleich erfolgen, könnte dies zu Demyelinisierung des Gehirnes führen. Klinische Studien haben untersucht, wie häufig solche Demyelinisierungssyndrome tatsächlich sind. Bei einer chronischen Hyponatriämie mit einem Serum-Natrium von <115mmol/l fanden sich diese auch noch, wenn vorsichtig mit etwas weniger als 10mmol/lNatrium in 24h ausgeglichen wurde.12 In den entsprechenden Studien empfahlen die Autoren deshalb einen Ausgleich von <8mmol/l Natrium in 24h, wenn das Serum-Natrium <115mmol/l beträgt. Andere Studien sahen die Grenze bei 12mmol/l pro 24h.13 Auf jeden Fall lässt sich ableiten, dass eine chronische Hyponatriämie auch chronisch ausgeglichen werden sollte. Eine Geschwindigkeit von 0,5mmol/l/h sollte auf keinen Fall überschritten werden (Abb. 3).
Andere Studien haben die Behandlung bei einer symptomatischen Hyponatriämie mit teilweise lebensbedrohlicher Symptomatik untersucht. Eine rasche Gabe hypertoner Kochsalzlösung 3% mit 2ml/kg Körpergewicht über 20min alle 6Stunden war schneller in Hinsicht auf die Substitution und hatte weniger Nebenwirkungen.14 Allerdings muss erwähnt werden, dass das Natrium in dieser Studie nur <125 mmol/l war, was die Divergenz zu den davor diskutierten Studienergebnissen erklärt.
KeyPoints
Eine Hyponatriämie tritt häufig bei älteren Krankenhauspatienten auf.
Eine Hyponatriämie muss ernst genommen werden und sollte zu einer Substitution führen.
Der Volumenstatus muss in die Festlegung des therapeutischen Vorgehens Eingang finden.
Neurologische oder Herz-Kreislauf-Symptome sind wegweisend.
Eine Hyponatriämie kann lebensbedrohlich verlaufen. Deshalb ist eine konsequente, aber durchaus vorsichtige Substitution essenziell.
Autor
Prof. Dr. med. Mark Dominik Alscher
Robert-Bosch-Krankenhaus
Stuttgart
Interessenkonflikte:
Der Autor hat keine deklariert.
Literatur
1. Gunathilake R et al.: Mild hyponatremia is associated with impaired cognition and falls in community-dwelling older persons. J Am Geriatr Soc 2013; 61(10): 1838–9
2. Schrier RW et al.: Hyponatraemia: more than just a marker of disease severity? Nat Rev Nephrol 2013; 9(1): 37–50
3. Cui K et al.: Immune checkpoint inhibitors and adrenal insufficiency: a large-sample case series study. Ann Transl Med 2022; 10(5): 251
4. Alscher DM et al.: [Disturbances in volume and electrolytes with intestinal and kidney diseases]. Internist (Berl) 2006; 47(11): 1110, 112–4, 115–20
5. Schwartz WB et al.: A syndrome of renal sodium loss and hyponatremia probably resulting from inappropriate secretion of antidiuretic hormone. Am J Med 1957; 23(4): 529–42
6. van Paassen P et al.: Renin inhibition improves pressure natriuresis in essential hypertension. J Am Soc Nephrol 2000; 11(10): 1813–8
7. Leung AA et al.: Risk of thiazide-induced hyponatremia in patients with hypertension. Am J Med 2011; 124(11): 1064–72
8. Na KY et al.: Upregulation of Na+ transporter abundances in response to chronic thiazide or loop diuretic treatment in rats. Am J Physiol Renal Physiol 2003; 284(1): F133–43
9. Friedman E et al.: Thiazide-induced hyponatremia. Reproducibility by single dose rechallenge and an analysis of pathogenesis. Ann Intern Med 1989; 110(1): 24–30
10. Hoenig MP, Lecker SH: Pattern recognition versus pathogenesis: electrolytes in a patient with adrenal insufficiency. Clin J Am Soc Nephrol 2022; 17(4): 585–7
11. Adrogue HJ et al.: Hyponatremia. N Engl J Med 2000; 342(21): 1581–9
12. Tandukar S et al.: Osmotic demyelination syndrome following correction of hyponatremia by ≤10mEq/L per day. Kidney360 2021; 2(9): 1415–23
13. Sterns RH: Treatment of severe hyponatremia. Clin J Am Soc Nephrol 2018; 13(4): 641–9
14. Baek SH, Kim S: Optimal treatment with hypertonic saline in patients with symptomatic hyponatremia: a perspective from a randomized clinical trial (SALSA trial). Kidney Res Clin Pract 2020; 39(4): 504–6
Zitierhinweis: erschienen in dieser Ausgabe
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