
28. September 2023
Das sollte auch der Allgemeinarzt wissen
Schlafstörungen Diagnostik, Therapie, Abrechnung
Die Insomnie ist eine Schlafstörung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass Betroffene über den Zeitraum von mindestens einem Monat Ein- und/oder Durchschlafstörungen haben, die mit einer Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit oder der Leistungsfähigkeit am Tag einhergehen, wobei die Symptomatik nicht durch eine andere körperliche oder psychiatrische Störung bedingt ist. Eine Insomnie kann vermutet werden, wenn die Einschlaflatenz bei über 30 Minuten und/oder die Schlafeffizienz unter 85 Prozent liegt. Schlafstörungen beeinflussen die organische und psychische Gesundheit und können unbehandelt weitreichende negative Auswirkungen auf das familiäre, soziale und schulische/berufliche Umfeld haben.
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Nach der S1-Leitlinie der AWMF werden nichtorganische Schlafstörungen (ICD 10 F51.) als eigenständiges Störungsbild diagnostiziert, wenn die Schlafbeschwerden im Vordergrund der Symptomatik stehen und nicht besser durch andere psychische oder körperliche Störungen erklärt werden können.
Nach der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) sollte beim Verdacht auf eine nichtorganische Insomnie eine ausführliche Anamneseerhebung inklusive einer Abklärung körperlicher und psychischer Erkrankungen stattfinden und eine körperliche Untersuchung ggf. unter Einsatz von Schlaffragebögen und Schlaftagebüchern erfolgen. Mit dem Pittsburgher Schlafqualitätsindex (PSQI) kann ein Eindruck über das Ausmaß der schlafbezogenen Beschwerden gewonnen und über den Insomnia Severity Index (ISI) der Schweregrad einer Insomnie eingeschätzt werden. Gezielt sollte auch nach Substanzen, die den Schlaf stören können wie z.B. Gyrasehemmer, Piracetam, SSRI, β-Blocker, Theophyllin, β-Sympathomimetika, Diuretika oder Hormonpräparate wie z.B. Thyroxin, Steroide bzw. Alkohol, Nikotin, Drogen, geforscht sowie die Bett- und Schlafenszeiten über den gesamten Tag erfasst werden. Bei Verdacht auf eine organische Schlafstörung ist die Polysomnographie, ggf. auch ein EEG, EKG, CT/MRT des Schädels, sinnvoll. Als Laborparameter kommen die Schilddrüsenwerte, ein Blutbild, Nieren- und die Leberwerte in Betracht. Als organische Ursachen (ICD 10 G25 oder G47) kommen chronische Nierenerkrankungen, Magen-Darm-Erkrankungen, chronische Schmerzen, endokrinologische Erkrankungen, Epilepsien, extrapyramidalmotorische Erkrankungen, Herz- und Lungenerkrankungen, Kopfschmerzen, maligne Erkrankungen, Polyneuropathien oder starker Juckreiz bei Hauterkrankungen in Betracht.
Verschiedene Therapieoptionen
Insomnien können nichtmedikamentös und/oder medikamentös behandelt werden. Kognitive Verhaltenstherapie (KVT-I) für Insomnien kommt bei Erwachsenen jeden Lebensalters als erste Behandlungsoption in Betracht. Auf dieser Stufe können auch geeignete digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) zum Einsatz kommen. Eine medikamentöse Therapie sollte erst erwogen werden, wenn eine KVT-I nicht hinreichend effektiv oder nicht durchführbar ist. Benzodiazepinrezeptoragonisten wie Zolpidem, Zopiclon bzw. dessen Weiterentwicklung Eszopiclon oder der Orexin-Rezeptor-Antagonist Daridorexant können im kurzzeitigen Gebrauch von 3–4 Wochen effektiv in der Behandlung von Insomnien sein. Eine generelle Empfehlung zur Langzeitbehandlung liegt nach Datenlage und z.T. bekannten möglichen Nebenwirkungen bei diesen Wirkstoffklassen hingegen nicht vor. Gleiches gilt für die Behandlung mit sedierenden Antidepressiva oder Antipsychotika. Eine Ausnahme stellen lediglich gerontopsychiatrische Patienten dar, bei denen ggf. niedrigpotente Antipsychotika wie z.B. Melperon oder Pipamperon oder Antidepressiva wie Mirtazapin als Schlafmittel gegeben werden können.
Melatonin oder Phytotherapeutika bieten sich zur Behandlung an, da sie keine wesentlichen Nebenwirkungen haben. Behandlungsmethoden wie Akupunktur, Aromatherapie, Hypnotherapie, Lichttherapie, Meditation, Musiktherapie, Reflexzonenmassage oder Yoga/Tai Chi/Chi Gong kommen als komplementärmedizinische Maßnahmen versuchsweise therapeutisch in Betracht.
Fallbeispiel: Durchschlafstörungen mit nächtlichem Gedankenandrang
Der 53-jährige Heinrich K. kommt wegen seit einigen Monaten andauernder Schlafstörungen in die Praxis. Anamnestisch gibt er an, abends zwar gut einzuschlafen, in der Nacht aber oft aufzuwachen und dann lange nicht mehr einschlafen zu können. Es würden ihm dann viele Dinge „durch den Kopf gehen“ wie Probleme bei der Arbeit oder zeitweise Konflikte in der Ehe. In manchen Nächten könne er etwa drei Stunden, in anderen Nächten vier bis fünf Stunden schlafen. Morgens würde er spät aufstehen, dabei in den Morgenstunden aber unruhig schlafen. Auf Nachfrage gibt er an, dass er zum Abendessen regelmäßig ein oder zwei Gläser Wein trinkt.
Der Patient ist nach den Erkenntnissen aus der Anamneseerhebung bereit, eine Verhaltenstherapie zu beginnen. Ein Termin bei einem geeigneten Psychotherapeuten wird deshalb vereinbart. Medikamente möchte er zunächst nicht nehmen, stimmt aber einem Versuch mit einem pflanzlichen Präparat zu. Als Übergangslösung wird ihm außerdem die DiGA „somnio“ verordnet und bei einem Kontrolltermin erläutert. Zum Ausschluss einer organischen Ursache der Schlafstörung werden notwendige Laborparameter über das Gemeinschaftslabor erhoben und dem Patienten ein Termin bei einem Neurologen vermittelt.
Die Leistungen, die nach EBM zur Abrechnung kommen könnten, sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Hierbei ist zu beachten:
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Die Insomnie ist eine chronische Erkrankung. Haben bereits in mindestens 2 Vorquartalen diesbezüglich persönliche Arzt-Patienten-Kontakte stattgefunden, kann auch die GOP 03220 berechnet werden.
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Da wegen der möglichst schnell einzuleitenden therapeutischen Maßnahmen eine diagnostische Dringlichkeit besteht, kann die GOP 03008 – hier wegen zwei Vermittlungen – zweifach berechnet werden, wenn die Termine innerhalb von 35 Tagen vereinbart wurden. Lediglich bei einer Vermittlung ab dem 24. Tag muss in der hausärztlichen Dokumentation (z.B. im PVS-Feld 5009) eine medizinische Begründung angegeben werden.
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Da es sich nach ICD-10 um eine „F-Diagnose“ handelt, könnten alternativ zur GOP 03230 für die verbale Behandlung auch die GOP 35100/35110 eingesetzt werden.
Die Verordnung der DiGA erfolgt auf dem Muster 16 unter Angabe der PZN. Vor Bezug muss der Patient eine Genehmigung seiner Kasse einholen.
Die Leistungen, die bei einer Berechnung nach GOÄ zur Abrechnung kommen könnten, sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Hierbei ist zu beachten:
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Die Übermittlung von Facharztterminen ist in der GOÄ nicht über eine Leistungsziffer berechnungsfähig. Der Mehraufwand könnte aber durch den Ansatz eines höheren Multiplikators z.B. bei der Nr. 1 begründet und geltend gemacht werden.
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Alternativ zur Nr. 1 ist der Ansatz der Nr. 849 möglich, wenn sich die Notwendigkeit z.B. für eine Behandlung im Rahmen einer psychoreaktiven, psychosomatischen oder neurotischen Störung ergibt.
Autor:
Dr. med. Gerd W. Zimmermann
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