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4. Oktober 2023

Auf ein Neues

Das E-Rezept kommt – was Ärzte wissen müssen

Nach einem wahren Zickzackkurs und etlichen Verzögerungen soll die elektronische Verordnung ab dem 1.1.2024 bundesweit Realität werden. Zum Jahreswechsel müssen also alle Arztpraxen in der Lage sein, E-Rezepte auszustellen. Diese sollen dann unter anderem per elektronischer Gesundheitskarte (eGK) in der Apotheke einlösbar sein. Im nachfolgenden Artikel blicken wir auf den jüngsten Beschluss der gematik, analysieren die Kritik der KBV und zeigen auf, was Ärztinnen und Ärzte jetzt wissen müssen.

Beginnen wir den Beitrag mit einem kleinen Quiz. Aus welchem Jahr stammt der folgende Satz: „Einer flächendeckenden Einführung des E-Rezepts in Deutschland steht nichts mehr im Weg.” Na, wissen Sie es?

  1. Vielleicht 2020, als das Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) verabschiedet wurde?

  2. Oder doch im Jahr darauf, als die erste Testphase zur flächendeckenden E-Rezept-Einführung startete?

  3. War es vielleicht das Jahr 2022, als eben jene Testphase bereits gescheitert war und ein Neustart zum 1. September 2022 anvisiert wurde?

Oder stammt der Passus gar aus dem Jahr 2023, als auch diese Deadline schon längst Vergangenheit war, eine erneute Testphase frühzeitig abgebrochen werden musste und die Politik nun den 1. Januar 2024 als nächsten großen Rollout-Termin verkündete?

Tatsächlich könnte dieser Satz in jedem der vier Jahre so gefallen sein. Die Antwort ist aber Option vier. Der Satz einer Pressemeldung der gematik, die am 22. Juli 2023 versendet wurde.1 Dort informierte die mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens beauftragte Agentur, dass der bundesweite Rollout des E-Rezepts ab sofort beginne und die verpflichtende Nutzung des E-Rezepts zum 1. Januar 2024 flächendeckend starte.

Beobachter der Szene nehmen allerdings noch Wetten darauf an, dass auch dieser Termin kurzfristig gerissen wird. Denn die grundlegenden Probleme der elektronischen Verordnung wurden in den vergangenen vier Jahren nicht gelöst – Ärztinnen und Ärzte haben keinen wirklichen Nutzen davon und Patienten sind nicht in der Lage, ihre Verordnungen einzulösen.

Zumindest für den letzten Punkt gibt es nun aber Hoffnung. E-Rezepte werden in Apotheken zukünftig auch mittels elektronischer Gesundheitskarte (eGK) einlösbar sein. Ziel dieses Schrittes sei es, die Nutzung des E-Rezeptes deutlich zu vereinfachen und damit endlich die kritische Masse für eine allgemeine Akzeptanz zu erreichen. Bisher war es Patienten nur möglich, ihre E-Rezepte via gematik-App oder ausgedrucktes Patientendokument mit QR-Code einzulösen. Beide Varianten standen bis zuletzt massiv in der Kritik – und zwar aus guten Gründen.

Große Hürden für Patienten

So ist die App der gematik nur nach einem aufwendigen Identifizierungsverfahren nutzbar. Der Patient kann dieses erst dann absolvieren, wenn er über eine eGK der neuesten Generation sowie ein modernes NFC-fähiges Smartphone verfügt und zusätzlich von seiner Krankenkasse eine PIN für die eGK zugeschickt bekommt. Gerade für ältere Patienten sind das große Einstiegshürden. Dass sich diese Variante zum Einlösen von E-Rezepten in der Vergangenheit kaum durchsetzen konnte, darf also nicht verwundern.

Aber auch der Papierausdruck, den (z. B. ältere) Patienten ohne Smartphone vom Arzt erhalten und damit ihr Rezept in der Apotheke einlösen, steht seit jeher in der Kritik. Schließlich erfüllt ein Verfahren, das Unmengen an Papier verbraucht und die „Zettelwirtschaft” weiterführt, nicht wirklich den Sinn der Digitalisierung.

Vor diesem Hintergrund wurde die Nachricht über eine pragmatische, unkomplizierte dritte Möglichkeit zur Verarbeitung von E-Rezepten größtenteils positiv aufgefasst. Bei diesem Verfahren stellen Ärztin oder Arzt regulär ein E-Rezept aus – inklusive elektronischer Signatur. Die Daten des E-Rezeptes werden in dem sogenannten Fachdienst in der Telematikinfrastruktur gespeichert. Der Ausdruck eines Patientendokumentes ist nicht erforderlich, was den Verordnungsprozess etwas entspannt. Der Patient geht in die Apotheke und identifiziert sich, indem er seine eGK in ein Kartenterminal steckt. Das Apothekensystem kann dann alle Verordnungen des identifizierten Patienten vom Fachdienst abholen. Während die erste Version dieses Verfahrens noch zu Recht vom Datenschutz abgelehnt wurde, da die Apotheke für bekannte Patienten jederzeit Daten hätte abrufen können, hat man inzwischen nachgebessert. Erste Tests zeigen, dass das neue Verfahren tatsächlich besser funktioniert und von Patienten gut angenommen wird. Steht der flächendeckenden Einführung nun wirklich nichts mehr im Weg? Sie ahnen es: Dem ist nicht so. Denn wie so häufig geht es nicht nur um das Was, sondern auch das Wie.

KBV äußert Kritik

Dafür reicht schon ein Blick auf den Beschluss der gematik, der nicht einstimmig erfolgte, da die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) dagegen votierte.2 Deren größter Kritikpunkt ist, dass das Einlösen des E-Rezeptes über die eGK bislang nicht getestet wurde – und zwar aus technischen Gründen. Aktuell verfügen die meisten Apotheken nämlich noch nicht über ausreichend viele Kartenterminals, um die eGK einzulesen. Hinzu kommt, dass die Apotheken auch noch ihre Software-Systeme anpassen bzw. um bestimmte Module erweitern müssen, um die E-Rezepte vom entsprechenden Server der Telematikinfrastruktur abrufen zu können.3

Laut KBV besteht deshalb durchaus das Risiko, dass ein E-Rezept in der Apotheke aktuell nicht eingelöst werden kann und der Patient erneut in die Arztpraxis gehen muss, um ein Papierrezept zu erhalten. Mehrwert der Digitalisierung? Fehlanzeige. KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner mahnt daher an, dass die gesamte Prozesskette funktionieren muss, bevor der flächendeckende Rollout angegangen wird.4 Die gematik sieht das naturgemäß anders und gab sich bereits vor Monaten optimistisch, dass schon bis Ende Juli 2023 ein Großteil der Apotheken in Deutschland für das E-Rezept via eGK bereit sei.5

Große Herausforderung

Nun muss man einordnend sagen, dass es durchaus gut möglich ist, dass diese Vorhersage der gematik tatsächlich eintrifft und die Apotheken es rechtzeitig schaffen, sich mit der benötigten Hardware auszustatten und ihre Software auf den neuesten Stand zu bringen.

Allerdings ist die Telematikinfrastruktur ein sehr komplexes IT-System und die Menge der zu verarbeitenden Transaktionen gigantisch – pro Jahr werden schätzungsweise 450 Millionen Papierrezepte in Arztpraxen ausgestellt6; dem gegenüber stehen bisher nur etwas mehr als 2 Millionen eingelöste E-Rezepte – seit Projektstart, und zwar in ganz Deutschland.7

Hier wird die schiere Dimension der Herausforderung klar. Zwar betont die gematik, dass sie bereits Lasttests mit 20 Millionen E-Rezepten an einem Vormittag erfolgreich simuliert hat8; Zweifel an einem reibungslosen Ablauf sind aber durchaus angebracht – nicht zuletzt seit dem jüngsten TI-Systemausfall, als Ärzte zu Beginn des dritten Quartals keine E-Rezepte auf den Server laden und Apotheken keine Rezepte mehr abrufen konnten.9 Zwar wurde das Problem zeitnah gelöst, aber genau solche Fälle zeigen, dass eine umfangreiche Testphase, in der das Zusammenspiel aller Komponenten geprüft wird, unerlässlich ist.

Was Ärztinnen und Ärzte wissen müssen

Kommen wir nun aber zu dem Teil, der Ärzte im Besonderen interessieren dürfte: Was bedeuten die neuen Pläne für den konkreten Arbeitsalltag in der Praxis?

Die gute Nachricht ist, dass sich an den technischen Voraussetzungen und am Ausstellungsprozess nichts ändert. Weiterhin gilt, dass Ärzte über folgende Komponenten verfügen müssen, um E-Rezepte ausstellen zu können10:

  • TI-Konnektor mit funktionierendem TI-Anschluss, entweder in der Praxis oder als Service im Rechenzentrum

  • Aktivierter eHBA (Heilberufsausweis) für die qualifizierte elektronische Signatur (QES)

  • Software-Update der Praxissoftware (wird vom Hersteller bereitgestellt)

  • Tintenstrahl- oder Laserdrucker mit einer Mindestauflösung von 300dpi für einen klaren Ausdruck des QR-Codes, sofern noch Patientendokumente gedruckt werden

Auch am Prozess der Verordnung ändert sich nichts. Die Verordnung wird ganz normal in der jeweiligen Praxissoftware erstellt, ehe das elektronische Rezept per qualifizierter elektronischer Signatur (QES) signiert wird. Hierfür müssen Ärzte den elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) in das Kartenterminal stecken und ihre PIN eingeben. Zu beachten ist, dass Ausstellungs- und Signaturdatum übereinstimmen müssen und das E-Rezept nur vom Arzt, der die Verordnung ausstellt, signiert werden darf.

Sind beide Punkte erfüllt, wird das E-Rezept abgeschickt und die Verordnung wird auf dem E-Rezept-Server innerhalb der Telematikinfrastruktur gespeichert. Ob das Patientendokument mit dem QR-Code ausgedruckt werden muss, hängt davon ab, welche Einlöseoption der Patient wählt. Die Frage, ob ein Patient sich bereits für die E-Rezept-App registriert hat oder doch lieber den QR-Ausdruck bzw. die neue eGK-Lösung zum Einlösen des Rezepts bevorzugt, muss also zukünftig zum Standardrepertoire bei jeder Verordnung gehören.

Literaturtipp
zum Thema IE-Rezept: Keine Zeit für Fehler

Autor:
Alexander Wilms
Geschäftsführer RED Medical Systems , München

Alexander Wilms betreut seit annähernd 20 Jahren die allgemeinärztliche Praxis seiner Frau in IT-Fragen und war maßgeblich an der Entwicklung von RED ­Medical , der ersten webbasierten Arztsoftware, beteiligt.

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