
18. März 2023
Was macht eigentlich ein Betriebsarzt?
Blackbox Arbeitsmedizin
Vielen Kolleginnen und Kollegen dürfte die Arbeitsmedizin zum ersten Mal im Studium begegnet sein. Entweder im Rahmen der Vorlesungen im Gebiet Arbeitsmedizin oder auch vor Aufnahme von infektionsgefährdeten Tätigkeiten in Klinik oder Praxis. Um Licht ins Dunkel des Fachgebietes zu bringen, stellt Ihnen eine Artikelserie das Fachgebiet der Arbeitsmedizin näher vor.
Um in Deutschland betriebsärztlich tätig werden zu können, ist die Anerkennung als Facharzt für Arbeitsmedizin oder die Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin erforderlich. Die spezifischen Anforderungen zur ärztlichen Weiterbildung sind in den Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern geregelt.
Betriebsärzte können freiberuflich niedergelassen tätig werden, Zulassungssperren vonseiten der Kassenärztlichen Vereinigungen bestehen nicht, da diese für Betriebsärzte nicht zuständig sind. Im Weiteren werden Betriebsärzte in überbetrieblichen betriebsärztlichen Diensten tätig, aber auch als Werksärzte bei großen Unternehmen und bei Behörden, insbesondere als Gewerbeärzte. Die Vergütungen der Betriebsärzte erfolgen in aller Regel durch die beauftragenden Unternehmen, bei angestellten oder verbeamteten Betriebsärzten erfolgt die Entlohnung durch den Arbeitgebenden.
Gesunderhaltung im Fokus
Ein wesentlicher Unterschied zu klinischen Disziplinen besteht in der Arbeitsmedizin darin, dass die Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung der (arbeitenden) Menschen im Fokus stehen, nicht unbedingt der kurative Aspekt. Üblicherweise spricht man daher in der Arbeitsmedizin auch weniger von Patienten als von Kunden, Mitarbeitenden oder Probanden.
Die Arbeitsmedizin ist wohl mehr als alle anderen medizinischen Disziplinen von rechtlichen Aspekten und deren Kenntnis geprägt, insbesondere von Rechtsgrundlagen, die sich aus Gesetzen und Verordnungen zum Arbeitsschutz ergeben.
In Deutschland existiert das sogenannte Duale Arbeitsschutzmodell. Der Staat formuliert hierbei die grundsätzlichen Arbeitsschutzvorgaben, die Berufsgenossenschaften sind in den jeweiligen Arbeitsfeldern zuständig, diese Vorgaben branchenspezifisch auszugestalten. Die Einhaltung dieser Vorgaben wird bei den Unternehmen von Behörden und den zuständigen Unfallversicherungsträgern (Präventionsdienste) überwacht. Die wesentlichen Rechtsgrundlagen im Gebiet der Arbeitsmedizin finden sich im Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG), im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), in Verbindung mit der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) und in der DGUV-Vorschrift 2.
Arbeitssicherheitsgesetz
Hier ist unter anderem geregelt,
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dass Unternehmen Betriebsärzte zu bestellen haben, die im Arbeitsschutz und in der Unfallverhütung unterstützen sollen.
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welche Aufgaben die Betriebsärzte im Einzelnen haben.
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dass es grundsätzlich nicht die Aufgabe von Betriebsärzten ist, Krankmeldungen der Beschäftigten auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen.
Arbeitsschutzgesetz
Hier wird die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit geregelt. Wesentliche Inhalte sind
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Grundpflichten des Arbeitgebers
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Beurteilung der Arbeitsbedingungen
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Pflichten der Beschäftigten
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Arbeitsmedizinische Vorsorge
Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge
Diese zielt darauf ab,
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durch arbeitsmedizinische Vorsorge arbeitsbedingte Erkrankungen einschließlich Berufskrankheiten frühzeitig zu erkennen und zu verhüten.
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dass arbeitsmedizinische Vorsorge einen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und zur Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes leisten soll.
Geregelt werden in der ArbMedVV im Weiteren die unterschiedlichen Formen von arbeitsmedizinischer Vorsorge und Vorsorgeanlässe, bei denen arbeitsmedizinische Vorsorge durchgeführt werden kann oder muss (Anhang der ArbMedVV).
DGUV-Vorschrift 2
Diese nimmt vonseiten der Unfallversicherungsträger eine Konkretisierung des Arbeitssicherheitsgesetzes vor. Die Abkürzung DGUV steht hier für Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, den Spitzenverband der Unfallversicherungen. Wesentliche Inhalte sind:
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Bestellung von Betriebsärzten durch die Unternehmen
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Regelung der arbeitsmedizinischen Fachkunde
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Berichtswesen u.a. an den Unternehmer
Ausgestaltung der betriebsärztlichen Einsatzzeiten in Bezug auf die Unternehmensform und -größe
Weitere Rechtsgrundlagen, die den Arbeitsalltag eines Betriebsarztes prägen, sind unter anderem
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Mutterschutzgesetz
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Arbeitszeitgesetz
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Atomgesetz, Strahlenschutzgesetz
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Chemikaliengesetz und Biostoff-Verordnung
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Sozialgesetzbuch
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Berufskrankheiten-Verordnung
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Druckluftverordnung
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Lastenhandhabungsverordnung
Zu beachten ist die Hierarchie der Rechtsgrundlagen: Ein Gesetz steht über einer Verordnung; eine Verordnung steht über technischen Regeln.
In weiteren Artikeln werden diese Grundlagen in einen Praxisbezug gestellt.
Autor
Dr. med. Michael Otto
Fachärztliche Privatpraxis für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin, Regensburg
Interessenkonflikte:
Der Autor hat keine deklariert.
Zitierhinweis: erschienen in dieser Ausgabe
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