
26. Mai 2021
Die OP hinausgezögert
„Nur ein Leistenbruch“
Unter der Rubrik „Der Arzt als Patient“ berichten Hausärztinnen und Hausärzte aus eigener Betroffenheit ihre Erfahrungen. Als Patientinnen und Patienten suchen sie Rat und Hilfe bei ihren Kollegen, Hausärzte häufig bei Spezialisten. In der Regel ist der Wechsel der Perspektive vom Behandler zum Behandelten eine neue Erfahrung. Immer wieder stellen sich dabei ähnliche Fragen: Bin ich richtig krank oder fühle ich mich nur krank? Ist die Diagnose richtig? Die vorgeschlagene Maßnahme das Optimum? Wie ist die Prognose? Und wie ist die Kommunikation mit dem Kollegen gelaufen? Wie bin ich mit der Krankheit und mit dem Kranksein umgegangen, und was hat sie aus mir gemacht?
Als Allgemeinarzt mit jahrelanger Erfahrung weiß ich es natürlich: Ein Leistenbruch erfordert immer einen chirurgischen Eingriff. Wenn man aber mal selbst als Arzt davon betroffen ist, kommt die Unsicherheit über einen: Man hat zwar eine gewisse Vorstellung vom Zeitpunkt des Eingriffs, den verschiedenen Operationstechniken, vom möglichen operativen und perioperativen Risiko. Aber mit 76 Jahren gehört man trotz allem diesbezüglich zu einer Risikogruppe.
Welche OP-Methode wählen?
Mein linksseitiger Leistenbruch wurde in den letzten Monaten immer größer. Die Operation ließ sich jetzt nicht mehr aufschieben. Ich machte mich also erst mal schlau. Dabei erfuhr ich gleich eine Überraschung: Es gibt grundsätzlich kein einheitliches Standardverfahren.
In meinen zugegebenermaßen nicht mehr ganz aktuellen Büchern steht eine Vielzahl an unterschiedlichen Operationsverfahren. Auch die Recherche im Netz ist für mich wenig hilfreich: Da gibt es die offene Operationstechnik ohne Kunststoffnetz (Methode Shouldice) und die offene Operationstechnik mit Kunststoffnetz (Methode Lichtenstein), endoskopische Techniken transabdominell (TAPP) und total extraperitoneal (TEP) oder OP-Methoden, die mit großflächigen Kunststoffnetzen arbeiten. Sie werden von verschiedenen Fachexperten wiederum unterschiedlich bewertet. Die besten Erfolge sollen im Shouldice-Hospital in Toronto (Kanada) erzielt werden. Auch hierzulande soll es hoch spezialisierte Hernienzentren geben. Oder ist der im örtlichen Krankenhaus tätige Chirurg der richtige Ansprechpartner für mich?
In meiner Weiterbildungszeit zum Facharzt für Allgemeinmedizin wurde noch nach Bassini operiert. Freilich mit überschaubaren Erfolgen. Zumindest gelegentlich. Damals operierten die Chirurgen alles, von der Schilddrüse über die Galle, den Magen, den Darm, den Uterus bis zu den eingewachsenen Zehennägeln.
Was bedeuten die Daten und Studienergebnisse konkret für mich?
Aber was bedeuten all die vielen klugen Infos und Studien mit ihren Tabellen und Statistiken im Drei-Sigma-Bereich für mich ganz persönlich? Es geht ja nicht nur um die bloße Verfahrenstechnik, sondern auch um mein Narkoserisiko. Ich bin ja auch nicht mehr der Allerjüngste. Vielleicht sogar nur ein ambulanter Eingriff? Früher hatten erfahrene Operateure ältere Patienten in Lokalanästhesie operiert. Oder ab in die Klinik? Und wenn ja, in welche? Die in meinem Stadtteil? Wie lange muss ich dort flachliegen? Wann kommen die Fäden raus? Wann kann ich wieder im Haushalt mitarbeiten? Wann Auto fahren? Wann Sport betreiben? Mir fehlt irgendwie der erklärende und koordinierende Hausarzt.
Meine persönliche Empfehlung
Sofort den spezialisierten Kollegen des Vertrauens aufsuchen. Nicht lange sich den Kopf über alle möglichen und denkbaren Komplikationen zerbrechen.
Die Wahl fällt auf den altbekannten Operateur
Ich habe mich schlussendlich entschieden. Und zwar für jenen Chirurgen, den ich all die Jahre meinen Patienten für solche Eingriffe empfohlen hatte. Er ist inzwischen in eine andere Klinik gewechselt. In den zurückliegenden Jahren meiner allgemeinärztlichen Tätigkeit hatte ich immer eine vertrauensvolle Beziehung zu ihm, was die operative Versorgung meiner Patienten betraf. Und damit bin ich gut gefahren. Die Entfernung zu seinem jetzigen Tätigkeitsort habe ich in Kauf genommen. Ich stellte mich bei ihm vor. Er untersuchte mich professionell. Er hat mich über die Operationsmethode aufgeklärt. Es sollte eine laparoskopische transabdominelle präperitoneale Patchplastik (TAPP) werden. Ein stationärer Aufenthalt war nur für einen Tag vorgesehen.
OP ohne Komplikationen
Die Operation erfolgte komplikationslos; postoperativ bildeten sich die anfangs bestehende Schwellung und der leicht ziehende örtliche Schmerz rasch zurück. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden. Die häusliche Pflege lag bei meiner Frau in besten Händen. Bis zum zehnten Tag hatten sich die Fäden von selbst aufgelöst. Wundheilung p. p.
Autor:
Dr. med. K.P.
Facharzt für Allgemeinmedizin, 76 Jahre
Name und Anschrift sind der Redaktion bekannt.
Um die Anonymität des Autors zu wahren, wurden die Initialen seines Namens von der Redaktion geändert.schreiben Sie uns!
Zitierhinweis: erschienen in dieser Ausgabe
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