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23. März 2021

Vom Umgang unter Kollegen und was man vermeiden sollte

Unter der Rubrik „Der Arzt als Patient“ berichten Hausärzte aus eigener Betroffenheit ihre Erfahrungen. Als Patienten suchen sie Rat und Hilfe bei ihren Kollegen, Hausärzte häufig bei Spezialisten. In der Regel ist der Wechsel der Perspektive vom Behandler zum Behandelten eine neue Erfahrung. Immer wieder stellen sich dabei ähnliche Fragen: Bin ich richtig krank oder fühle ich mich nur krank? Ist die Diagnose richtig? Die vorgeschlagene Maßnahme das Optimum? Wie ist die Prognose? Und wie ist die Kommunikation mit dem Kollegen gelaufen? Wie bin ich mit der Krankheit und mit dem Kranksein umgegangen, und was hat die Krankheit aus mir gemacht?

Meine größten Fehler

Keine Zweitmeinung eingeholt zu haben, besonders, wenn ich den Kollegen oder die Kollegin gut gekannt habe. Vor Operationen nicht darauf gedrungen zu haben, den Anästhesisten kennenzulernen, und nicht gefragt zu haben, wer assistiert. Problematisch ist dabei: In Privatkliniken operieren oft verschiedenste niedergelassene, aber auch in der Klinik tätige Ärzte in ihrer Freizeit. Dort gibt es berufsmäßige OP-Assistenten, die in allen möglichen Sparten assistieren, ohne dem jeweiligen Fach anzugehören.Die Aussage so eines „professionellen OP-Assistenten“ vor Gericht: „Ich kann mich an nichts erinnern. Ich assistiere nur und es interessiert mich nicht, wie es dem Patienten nachher geht.“Arzt als Patient

Ein Jahr lang in verschiedenen Kliniken gelegen

Ich bin 76 Jahre alt und verbrachte wegen eines großen thorakalen Prolapses am Segment Th 11 über ein Jahr in verschiedensten Spitälern. Dabei erlebt man als Patient Dinge, die Laien nicht unbedingt wahrnehmen und einem auch als aktivem Arzt leider zu wenig auffallen.

Kaum jemand, der mein Zimmer betritt, stellt sich vor und teilt mir seine Funktion mit. Auch die Bekleidung der Krankenhausangestellten ist da nur bedingt hilfreich: Mantel, Leibchen, Hose in verschiedensten Kombinationen und Farben, mit Ausnahme des weißen Mantels, der den Kolleginnen und Kollegen vorbehalten bleibt und als einziges Kleidungsstück einen weißen aufgenähten Fleck aufweist, auf dem mit Filzstift der Name recht und schlecht leserlich geschrieben steht.

Ich kann diesen ohnehin nicht entziffern, da die Kolleginnen und Kollegen auch schon vor der Coronazeit aus einer Entfernung von 2 bis 4 Metern mit mir sprechen. Man wird auch sehr selten im Bett untersucht. Ich komme mir infektiös und schmutzig vor.

Unwesentliche Befunde werden akribisch verfolgt. Mein Natriumspiegel war niedrig und alle waren entzückt, als er sich nach Na-Infusionen wieder normalisierte!

Während des gesamten Jahres hat nie jemand zu mir gesagt: „Das wird sicher besser werden, es dauert halt“, oder so ähnlich. Aber Hauptsache, die Narbe war schön und das Natrium war wieder normal!

Am meisten fehlt das persönliche Gespräch auf Augenhöhe

Ich komme von meiner zweiten Bandscheibenoperation wieder ins Zimmer. Nach wenigen Minuten geht die Tür auf und es erscheint ein fahrbarer Kasten, auf dem ein aufgeklappter PC steht. Dahinter zwei Augen mit Brille und eine Damenfrisur, dahinter einige unterschiedlich gekleidete Personen, wahrscheinlich die Visite. Frage der Person hinter dem PC: „Sind Sie heute schon aufgestanden?“

Ich werde nach einer Magnetresonanztomografie (MR) durch lange Krankenhausgänge geschoben. Ein Weißkittel nimmt unterwegs meinen MR-Befund vom Bett, schaut ihn kurz an, legt ihn mit der Bemerkung: „Das wird nie mehr“ wieder auf mein Bett und geht weiter. Ich habe diesen Weißkittel weder vorher noch nachher je wieder gesehen. Ein zweiter, jüngerer Weißkittel sagt mir, so, dass es der erste Kollege nicht hört: „Probieren Sie doch die Druckkammer“ – damit meinte er die hyperbare Sauerstofftherapie, und das war der beste Ratschlag, denn seither beginnen die Muskeln, gegen geringen Widerstand wieder aktiv zu werden.

Ich habe durch den Prolaps eine Blasen- und Darmlähmung. Der Muskel zur Austreibung ist gelähmt, aber der Schließmuskel funktioniert. Bei der Blase ist das weniger ein Problem, da kommen Einmalkatheter zum Einsatz. Beim Darm verursacht das ziemliche Probleme. Ich habe einen Termin bei einem renommierten Enddarmspezialisten, der mir lakonisch mitteilt: „Entweder Sie sind damit zufrieden, wie es jetzt geht, oder wir machen einen Anus praeter, dann haben Sie keine Scherereien mehr!“

Wenigstens einmal eine Hand auf die Schulter gelegt bekommen

Ich wache nach der Operation auf und möchte wissen, was gemacht wurde, da dies vorher nicht klar war. Nachdem ich eine Zeit lang nur abschlägige Antworten bekomme, werde ich laut und verlange einen Arzt. Es kommt eine blau gekleidete, junge Person, die sich als Anästhesistin vorstellt, zu mir und sagt: „Was regen Sie sich so auf? Ich gebe Ihnen jetzt eine Spritze, weil Sie einen Blutdruck von 180/100 haben.“ Dies verweigere ich natürlich, weil ich normal einen RR von 110/70 habe.

Meine Situation macht mich nachdenklich, da ich mich nicht erinnern kann, ob ich mich im Krankenhaus den Patienten immer vorgestellt habe. Andererseits habe ich mich oft an die Bettkante gesetzt und mit dem Patienten geredet oder ihn untersucht. Das scheint jetzt verboten zu sein. Eine schöne Erinnerung an meinen eigenen Krankenhausaufenthalt ist, einmal eine Hand auf die Schulter bekommen zu haben, wenigstens eine Berührung.

Mein Umgang mit Ärztinnen und Ärzten: Nicht auffallen, sodass es vielleicht heißt: „Der regt sich über alles auf, weiß alles besser.“ Ich frage auch zu wenig, einerseits, weil man das Gefühl hat, wichtige Personen aufzuhalten, und andererseits, weil ich nicht lästig sein will oder zugeben muss, etwas nicht zu wissen.

Autor:
Dr. med. W. S.
Geboren 1944
Facharzt für Allgemeinmedizin,
Sportmedizin

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